Bevölkerungspolitik
In der Wirtschaftssoziologie:
umfassender Politikbereich, im einzelnen besonders Massnahmen nationalstaatlicher oder internationaler, aber auch privater Institutionen, die Umfang, Zusammensetzung und räumliche Verteilung einer Bevölkerung und ihrer Gruppen betreffen. Zum Bereich der Bevölkerungspolitik gehören u.a. antinatalistische (z.Bevölkerungspolitik Verhütungsprogramme) oder pronatalistische (z.Bevölkerungspolitik Abtreibungsverbot) Geburtenkontrollen, Hygiene- und Gesundheitspolitik (z.Bevölkerungspolitik zur Senkung von Mütter- und Säuglingssterblichkeit), die Regelung von Ein- und Auswanderungen sowie von Land- Stadt-Wanderungen. Zur Bevölkerungspolitik gehört insbesonders auch die sog. Eugenik, die mit den Entwicklungen der Humangenetik und ihrer Technologien neue Bedeutung für die Bevölkerungskontrolle oder Biopolitik erhalten hat.
Summe aller Maßnahmen zur aktiven Beeinflussung von Größe und Struktur einer Population. Anders etwa als bei der -3 Wirtschaftspolitik, die ein logischer Ausfluss der Wirtschaftstheorie ist, folgt aus der demographischen Theoriebildung nicht zwangsläufig die Rechtfertigung oder Begründung von Bevölkerungspolitik. Ursache für die Schwierigkeiten von Bevölkerungspolitik ist zum einen die verfassungs- rechtliche Grundposition, dass das menschliche Leben das höchste schätzenswerte Gut staatlichen Handelns darstellt. Damit hätte dann auch der Staat die Summe der menschlichen Existenzen und deren Zusammensetzung zu akzeptieren, und es kann wohl die Wirtschaftspolitik eine Konsequenz der vorgegebenen Bevölkerungsentwicklung sein, nicht aber Bevölkerungspolitik eine Konsequenz der vorgegebenen wirtschaftlichen Entwicklung. Gerade in Deutschland kommt noch ein zweiter ernstzunehmender Vorbehalt gegenüber Bevölkerungspolitik hinzu. Durch die Vermischung mit Aspekten der Rassehygiene und der völkischen Auslese ist (verstärkt durch die persönliche Verquickung von Vertretern der wissenschaftlichen Demographie) mit der Ablehnung nationalsozialistischen Gedankenguts zugleich eine Tabuisierung des Begriffs Bevölkerungspolitik entstanden. Dies führt dazu, dass im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik dieser Begriff verschwunden ist. Auch demographisch legitimierte Staaten kommen zwangsläufig nicht um die Beantwortung genuin bevölkerungspolitischer Fragen umhin. Ein besonders wichtiges Beispiel ist etwa die Behandlung von Zuwanderung in ihren verschiedenen Formen. Selbstverständlich können und müssen bei der Lösung solcher Fragen demographische Zusammenhänge beachtet werden, deren Analyse der Gegenstand der wissenschaftlichen Disziplin Demographie ist. Die Bevölkerungspolitik selbst gehört aber gleichwohl nicht zum Kompetenzbereich der wissenschaftlichen Demographie, sondern viel eher in die allgemeine Politik, die Staats- oder die Verfassungsrechtslehre. Die offizielle Nichtexistenz von Bevölkerungspolitik in der Bundesrepublik hat dazu geführt, dass bei politischen Maßnahmen mit mehr oder weniger eindeutigen bevölkerungspolitischen Konsequenzen oder gar Absichten neue Begriffe gefunden wurden, deren praktisch bedeutsamster die Familienpolitik (mit dem Kernbereich desFamilienlastenausgleichs) geworden ist.
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