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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Dialektik

In der Wirtschaftssoziologie: [1] eigentlich: Kunst der Unterredung, Ablauf des (wissenschaftlichen) Gesprächs. Durch das Vertreten von widersprüchlichen Meinungen gelangt man durch das Zusammen-Denken von Begriffen zur Erkenntnis des Wahren (Dialektik ist dann Teil der Logik: Sokrates, Piaton) oder zur Erkenntnis des Wahrscheinlichen (Dialektik ist dann Teil der Topik: Aristoteles, Cicero). [2] I. Kant unterteilt die Logik in Analytik und Dialektik Diese bedeuten bei ihm sowohl die „Logik des Scheins“ als auch die „Kritik des dialektischen Scheins“ (transzendentale D.). Als Logik des Scheins ist die Dialektik eine sophistische Kunst, die aus den formalen Bedingungen des Erkennens ohne Berücksichtigung oder in bewusster Missachtung der Erfahrung auf den Inhalt der Erkenntnis schliesst. Hingegen soll die transzendentale Dialektik den scheinbaren Widerspruch zwischen Erkenntnis und Erfahrung kritisieren, aufklären und bewusst halten; die Dialektik verweist nach Kant nämlich auf die Grenzen des Erkennens, auf die Differenz zwischen Erscheinung und Wirklichkeit eines Objekts, wie es jenseits unserer menschlichen Erkenntnis existieren kann (Ding an sich), da Urteile und Gesetze über alle Erfahrung hinaus (transzendent) Geltung haben oder Geltung haben können. [3] Bei G.W.F. Hegel ist Dialektik in Anschluss an Fichte nicht mehr nur Methode der Erkenntnis, sondern die dem Denken und dem Sein zugrunde liegende, auf das Absolute (als „abstraktes Allgemeines“) zielende Gesetzmässigkeit der Selbstentfaltung. Denken und Sein sind identisch, da das Sein an sich „Idee“ (objektive Vernunft) ist. Die Dialektik ergibt sich nicht durch ein von aussen Herantragen eines Widersprüchlichen, sondern der Widerspruch steckt in den Dingen selbst, er ist ihre Negation. Die Negation eines Dings oder eines Begriffs setzt sich durch, hebt gesetzmässig das Positive auf. Jedoch ist das Positive und seine Negation nicht Nichts, d.h. a + non-a * 0, sondern die Aufhebung des Positiven durch seine Negation ist nur die Negation des je Spezifischen, d.h. des besonderen Inhalts oder der bestimmten Sache; die Negation der gegenwärtigen Gesellschaft ist also nicht die Negation von Gesellschaft überhaupt, sondern der Form oder des Inhalts dieser bestimmten Gesellschaft. Indem sich die Negation durchsetzt, wird sie zum Positiven, beinhaltet damit zugleich aber auch wieder ihre Negation. Jede Negation ist damit (von einem Urzustand abgesehen) jeweils Negation eines Positiven, das selbst einmal als Negation ein Positives aufgehoben hat, ist somit immer Negation der Negation. Der dialektische Prozess wird vorangetrieben durch das den Begriffen und Dingen innewohnende Bedürfnis nach Aufhebung von Widersprüchlichkeit. Zwar ist das „Besondere“, das jeweils real Seiende, das Positive (nicht nur formal, sondern auch inhaltlich), aber es stellt nur einen Fortschritt in Hinblick auf das Absolute dar, auf einen Zustand ohne Widerspruch, auf „eine Identität der Identität und der Nich-tidentität“. [4] K. Marx hält sich weitestgehend an Hegels D., die für Marx „unbedingt das letzte Wort aller Philosophie“ ist, auch wenn Hegel ihr einen „mystischen Schein“ durch die Verklärung des Bestehenden gegeben habe. Dialektik ist als Methode und als Form der Gedankenentwicklung ideologiekritische Gesellschaftstheorie. Die Dialektik ist kritisch und revolutionär, indem sie ideelle Systeme, die alle „den Unterschied von Herrschaft des Menschen und Herrschaft des Privateigentums ausdrücken“ - sie verweisen also alle auf das System der politischen Ökonomie -, immanent als Prozess darstellt: durch das Aufweisen der Negation offenbart sich die Mangelhaftigkeit, durch den Hinweis auf die Negation der Negation wird die Notwendigkeit der Aufhebung bewusst und wirksam. Die Dialektik ist kein weltanschauliches Prinzip, keine universelle Gesetzmässigkeit; „wir treten ... nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwik-keln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr nicht: Lass ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen dir die wahre Parole des Kampfes zuschrein. Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft, und das Bewusstsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muss, wenn sie auch nicht will“ (K. Marx 1844). Da der Sozialismus den Forderungen der Vernunft im kapitalistischen System entspricht, arbeitet die Dialektik in ihrer notwendigen Praxisabhängigkeit immer für das sich revolutionsbezogen organisierende Proletariat, als der Negation der bestehenden Verhältnisse. [5] Bei F. Engels ist Dialektik nicht mehr wie bei Marx nur Methode und „Form der Gedankenentwicklung“, vielmehr versteht er darunter „die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens“. Für die Dialektik als Wissenschaft, als Methode, führt Engels als Hauptgesetze an: „Umschlag von Quantität und Qualität - Gegenseitiges Durchdringen der polaren Gegensätze und Ineinander-Umschlagen, wenn auf die Spitze getrieben - Entwicklung durch den Widerspruch oder Negation der Negation - Spirale Form der Entwicklung“ (1873/83). [6] In der marxistischen Diskussion hat der Begriff Dialektik vielfältige Erörterung erfahren. Folgende Bestimmungen lassen sich herausheben: a) Dialektik als Ausdruck von der gesetzmässigen Notwendigkeit geschichtlicher Veränderung, als Ausdruck der Geschichte als unbewusst erlittenem oder bewusst gestaltetem Entwicklungsprozess der Menschen („Das Sichere ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht. Wenn die Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten sprechen. Wer wagt zu sagen: Niemals? An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.“ B. Brecht, Lob der Dialektik). b) Die Dialektik als Einzelwissenschaft von den allgemeinsten Gesetzen der Bewegung und Entwicklung in Natur, Gesellschaft und menschlichem Denken: die Lehren von der Negation der Negation in Natur und Gesellschaft, vom Widerspruch als treibender Kraft der geschichtlichen Evolution usw. c) Die Dialektik als Theorie und Methode der menschlichen Erkenntnis und des menschlichen Denkens in seinen allgemeinsten Bestimmungen. d) Die Dialektik als Anleitung zum praktisch-um-gestaltenden Handeln, als Nachweis der Entwicklungstendenzen und Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft, die bewusst aufgegriffen und gestaltet werden müssen von der Arbeiterbewegung. [7] Neben diesen Bedeutungen wird Dialektik oft sehr unscharf verwendet, so z.B. als Bezeichnung für Gegensätzlichkeit, als Synonym für Wechselwirkung zwischen mehreren Faktoren, als Synonym für Interdependenz etc.



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