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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Entscheidungstheorie

(engl. decision theory) Die Entscheidungstheorie untersucht das Entscheidungsverhalten in Entscheidungssituationen. Hierbei kann zum einen gefragt werden, wie die Entscheidung getroffen werden sollte (normative Entscheidungstheorie), zum anderen aber auch, wie eine Entscheidung getroffen wird (deskriptive Entscheidungstheorie). Im Folgenden wird nur auf die erste Richtung, also die normative Entscheidungstheorie, eingegangen. In einer Entscheidungssituation hat der Entscheidungsträger unter Berücksichtigung seiner Zielsetzungen die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen (Handlungsmöglichkeiten, Aktionen). Die Menge aller Aktionen bildet den Aktionsraum oder Entscheidungsraum. Natürlich muss der Entscheidungsträger bei seiner Wahl auch die verschiedenen möglichen Umweltzustände oder kurz Zustände berücksichtigen. Die Menge dieser Zustände wird auch als Zustandsraum bezeichnet. Hinsichtlich der Informationen, die dem Entscheidungsträger über den Zustandsraum vorliegen, werden verschiedene Entscheidungssituationen unterschieden. In einer Sicherheitssituation gibt es nur einen möglichen Umweltzustand, und dieser ist dem Entscheidungsträger auch bekannt. Damit steht für jede Alternative auch das Ergebnis fest, zu dem ihre Wahl führt. In der Risikosituation kennt der Entscheidungsträger nicht nur alle zukünftigen Umweltzustände, sondern kann ihnen auch eine Eintrittswahrscheinlichkeit zuordnen. Bei einer Entscheidungssituation unter Unsicherheit sind zwar ebenfalls alle möglichen Zustände bekannt, es können diesen jedoch keine Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Daneben gibt es noch die spieltheoretische Situation, in der das Ergebnis jeder Handlungsalternative eines Entscheidungsträgers von den Handlungen eines Gegenspielers abhängt. Jede Handlungsalternative führt in Abhängigkeit von den möglichen Umweltzuständen zu einem Ergebnis. Für die Wahl zwischen den Alternativen muss jeder Umweltzustand entsprechend den Zielsetzungen des Entscheidungsträgers bewertet werden. Formal wird dieser Vorgang durch eine Nutzenfunktion (Nutzen) des Entscheidungsträgers beschrieben, mit der jedem Ereignis ein sog. Nutzenwert zugeordnet wird, d. h. einer Maßzahl für den Grad der Zielerreichung bei Eintritt des betreffenden Ereignisses. Eine wie vorstehend charakterisierte Entscheidungssituation kann durch eine Tabelle der folgenden Art, die auch Entscheidungsmatrix genannt wird, abgebildet werden: Die möglichen Aktionen werden hier mit a1 , ... , a,,, und die Elemente des Zustandsraums mit zi,...,z,,bezeichnet. Ein Tabellenelement u;j steht für den Nutzenwert, der sich bei der Wahl der Alternative a, und Eintritt des Umweltzustands z ergibt.

Bei einer Entscheidungssituation unter Sicherheit hat die Tabelle nur eine Spalte. Es ist von einem Entscheidungsträger, der lediglich ein Ziel verfolgt, dann die Aktion auszuwählen, die in der Zeile mit dem höchsten Nutzenwert steht. In einer Risikosituation kann die Entscheidungsmatrix um die Eintrittswahrscheinlichkeiten p, der Umweltzustände z, erweitert werden. Eine Entscheidungsregel für die Risikosituation ist das Bayes Prinzip oder auch Erwartungswertprinzip. Bei diesem ist zunächst für jede Handlungsalternative der Erwartungswert , der Nutzen werte zu berechnen, d. h., zunächst sind die Nutzenwerte mit der Wahrscheinlichkeit der zugehörigen Zustände zu multiplizieren und die sich so ergebenden Produkte zu addieren:

Nach dem Bayes Prinzip ist dann diejenige Alternative zu wählen, die den höchsten Erwartungswert hat. Kritisch an dieser Entscheidungsregel ist, dass sie sich nur an dem Erwartungswert orientiert und nicht berücksichtigt, dass die Nutzenwerte u. U. sehr stark von dem Erwartungswert abweichen können, d. h. stark tun den Erwartungswert streuen. Ein Maß für diese Streuung ist die Standardabweichung. Sie wird berechnet als Wurzel aus der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Summe der quadratischen Abweichungen vom Mittelwert. Für die Standardabweichung o; der Alternative i gilt daher:

Dem Mangel des Bayes Prinzips wird im Ansatz des o Kriteriums begegnet, indem eine Funktion (; o) gebildet wird, in der sich die Risikoeinstellung des Entscheidungsträgers (Risikoaversion, Risikoneutralität, Risikosympathie) widerspiegelt. Beispielsweise liegt der Funktion cp (; n) = 5 o eine risikoaverse Einstellung zugrunde, denn der Funktionswert sinkt mit steigender Varianz, also steigendem Risiko. Risikoneutralität drückt sich beispielsweise in der Funktion cp (p; o) = aus, denn die Varianz ist hier gar kein Argument der Funktion. Damit liefert sie die gleiche Entscheidung wie das BayesKriterium. Mit der Funktion cp (; o) = + o kann Risikosympathie zum Ausdruck gebracht werden, denn ihr Funktionswert steigt mit dem Risiko. Im o Kriterium sind für jede Alternative zunächst der Erwartungswert und die Standardabweichung und dann mit diesen der Funktionswert von cp (; o) zu bestimmen. Zu wählen ist diejenige Alternative mit dem höchsten Funktionswert.

Einem weiteren Entscheidungskriterium, dem Bernoulli Prinzip, liegt eine etwas andere Vorgehensweise zugrunde. Auch hier werden, wie bei der Erstellung der Entscheidungsmatrix, die Ereignisse mit Hilfe einer Nutzenfunktion bewertet, der Bernoulli Nutzenfunktion. In dieser spiegelt sich neben anderen Präferenzen eines Entscheidungsträgers auch seine subjektive Risikoneigung wider. Bernoulli zeigte, dass unter bestimmten Verhaltensannahmen für jeden Entscheidungsträger eine solche Funktion existiert. Eine Anleitung für die Konstruktion einer solchen Nutzenfunktion gibt es jedoch nicht. Hierin besteht eine Schwierigkeit bei der Anwendung des Bernoulli Prinzips. Nachdem jedem Ereigniswert ein Bernoulli Nutzen zugeordnet wurde, ist der Erwartungswert bzgl. jeder Alternative zu bestimmen, der Nutzenerwartungswert. Abschließend ist diejenige Alternative mit dem höchsten Nutzenerwartungswert zu wählen.

Bei Entscheidungen unter Unsicherheit können den möglichen Umweltzuständen keine Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Direkt an diesen Umstand knüpft die Laplace egel oder Regel vom unzureichenden Grund an, indem sie alle Umweltzustände als gleich wahrscheinlich annimmt und dann wie bei der Bayes egel verfährt. Es wird also für jede Alternative ein Erwartungswert gebildet und diejenige mit dem höchsten Wert gewählt. In gewisser Weise impliziert also auch die Laplace egel eine risikoneutrale Einstellung des Entscheidungsträgers.

Eine optimistische Haltung des Entscheidungsträgers unterstellt die Maximax egel, indem sie diejenige Alternative empfiehlt, die den höchsten Nutzenwert über alle Umweltzustände aufweist. Eine entgegengesetzte Vorgehensweise schlägt die Maximin egel oder Wald egel vor. Nach ihr ist zunächst für jede Alternative der kleinste Nutzenwert über alle Zustände zu bestimmen (Zeilenminimum). Es ist dann diejenige Alternative mit dem größten Zeilenminimum zu wählen. Mit dieser Entscheidung wird also von allen ungünstigsten Fällen der beste ausgesucht. In diesem Sinne unterstellt die Maximin egel also einen pessimistischen Entscheidungsträger.

Einen Ausgleich zwischen den beiden Extrempositionen versucht die Hurwicz egel oder Pessimismus Optimismus egel durch die Einführung eines Optimismus Parameters 7v, der mindestens den Wert 0 und maximal den Wert 1 annehmen darf. Für jede Alternative wird nun über alle Umweltzustände (wie bei der Maximax egel) der höchste Nutzenwert Max, und (wie bei der Maximin egel) der kleinste Nutzenwert Min; bestimmt. Anschließend wird (für jede Alternative) der Wert Max, X, + Min,(1 X) bestimmt. Die Alternative mit dem höchsten Wert ist zu wählen. Die Wahl des Parameters X. spiegelt die Risikoeinstellung des Entscheidungsträgers wider: Je größer der Parameter ist, desto optimistischer ist der Entscheidungsträger (für 7v = 1 ergibt sich wieder die Maximax egel); je kleiner a, ist, desto pessimistischer ist der Entscheidungsträger (für X, = 0 ergibt sich die Maximin egel). Ebenfalls eine pessimistische Grundeinstellung des Entscheidungsträgers liegt der Savage Niehaus egel (auch Regel des kleinsten Bedauerns) zugrunde. Zunächst wird in jeder Spalte, also für jeden Umweltzustand, über alle Alternativen das Maximum Max(zi) bestimmt. Dann wird für jeden Nutzenwert einer Spalte die Differenz zum Spaltenmaximum Max(zi) uii berechnet. Inhaltlich gibt diese Differenz an, wie groß der Nachteil für den Entscheidungsträger ist, wenn der entsprechende Zustand i eingetreten ist und er sich für eine andere als die zu Max(zi) gehörende Alternative entschieden hat. Anschließend wird für jede Alternative die maximale Differenz notiert. Es ist dann diejenige Alternative zu wählen, bei der dieser Wert am geringsten ist. Diese Alternative weist gegenüber allen anderen Alternativen die Eigenschaft auf, dass bei ihr die Abweichung vom maximal möglichen Nutzenwert durch den Eintritt eines anderen Umweltzustands (und dann das Bedauern hierüber) am geringsten ist.

Von den bisher betrachteten Entscheidungssituationen unterscheidet sich die Spielsituation dadurch, dass die möglichen Umweltzustände durch die Handlung eines rational handelnden Gegenspielers definiert werden. Dabei wird unterstellt, dass der Gegenspieler in einem eigenen, dem Entscheidungsträger entgegengestellten Interesse handelt. Neben diesen sog. Zweipersonenspielen werden in der Spieltheorie auch Mehrpersonenspiele untersucht. Ziel spieltheoretischer Entscheidungsmodelle ist die Ermittlung sog. optimaler Strategien, die dem Entscheidungsträger einen maximalen Gewinn sichern.

In den bisher vorgestellten Entscheidungssituationen war jeweils eine Entscheidung durch den Entscheidungsträger zu treffen. Eine Verallgemeinerung sind mehrperiodige Entscheidungsmodelle. Durch sie sollen Entscheidungssituationen abgebildet werden, in denen ein Entscheidungsträger in mehreren aufeinander folgenden Zeitpunkten Entscheidungen zu treffen hat. Zur Veranschaulichung solcher Situationen wird häufig die Darstellung in Form eines Entscheidungsbaums gewählt. Grundsätzlich ist bei der Untersuchung von Entscheidungsmodellen zu beachten, dass in ihnen nur solche Aspekte einer Entscheidungssituation abgebildet werden können, die bewertbar sind, d. h. durch Zahlen ausgedrückt werden können.



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