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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Public Marketing

Strategien und Instrumente des Marketing orientierten sich in der Vergangenheit im wesentlichen an den Bedürfnissen und Verhaltensweisen der „klassischen“ Marktteilnehmer Konsumenten, Handel und Konkurrenten. Der Wettbewerb fand nahezu ausschließlich über Preise und Leistungen der auf dem Markt angebotenen Produkte statt, während die Haltung der Unternehmen hinsichtlich gesellschaftspolitisch-ökologischer Fragestellungen als nicht wettbewerbsrelevant galt, solange grobe Verstöße gegen Gesetze oder allgemein anerkannte Regeln unterblieben. Mit einem zunehmenden Bewußtsein der Bevölkerung für gesellschaftspolitisch-ökologische Probleme verstärkte sich in den letzten Jahren jedoch das Interesse einer breiten Öffentlichkeit an dem Verhalten der Unternehmen. Die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf die Bereiche Ökologie und Gesundheit werden seitdem einer kritischen Betrachtung unterzogen. Unternehmen müssen nicht mehr nur auf dem Markt bestehen, sondern auch in der Gesellschaft Akzeptanz für ihr Verhalten finden. Wird ein potentieller Verlust dieser Akzeptanz nicht rechtzeitig erkannt und werden keine entsprechende Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen, gefährdet dies langfristig die Ziele und den Bestand des Unternehmens. Traditionell gilt die Pflege der Beziehungen zur Öffentlichkeit als Aufgabe des Public Relations. Flankierend zur Werbung sollen mit diesem Instrument in aller Regel die Bekanntheitsund Imagewerte beeinflußt und verkaufsfördernde Effekte erzielt werden. Die inzwischen erreichte Bedeutung der öffentlichen Meinung für den dauerhaften Erfolg von Unternehmen verlangt jedoch mehr als den Einsatz rein kommunikationspolitischer Maßnahmen. Aus diesem Grund soll mit dem Begriff des Public-Marketing verdeutlicht werden, dass alle Marketingaktivitäten den Belangen und Interessen der allgemeinen Öffentlichkeit Rechnung zu tragen haben. Die zentrale Aufgabe des Public-Marketing ist es dabei, das Spannungsfeld zur Öffentlichkeit abzubauen und nach Möglichkeit in Zustimmung umzuwandeln. Dieses Spannungsfeld beruht im wesentlichen auf unterschiedlichen Zielsetzungen, die Unternehmen und Öffentlichkeit verfolgen. So führt die Gewinnorientierung der Unternehmen zu bestimmten Verhaltensweisen, die sich sowohl in der Innen- als auch in der Außenbeziehung auswirken. In der Innenbeziehung betrifft dies insbesondere das Verhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeitern. Diese stellen für das Unternehmen in erster Linie human ressources dar, durch deren Einsatz Gewinne erzielt werden. In der Außenbeziehung werden Unternehmen versuchen, eine hohe Autonomie in bezug auf andere Marktteilnehmer zu erreichen, da eine marktbeherrschende Stellung es ermöglicht, Preise und Mengen relativ unabhängig zu gestalten, Konsumentenwünsche durch den verstärkten Einsatz von Werbung zu beeinflussen und Lieferantenverträge zum Vorteil des Unternehmens abzuschließen. Das Ziel des Gewinnstrebens führt überdies zu einer selektiven Auswahl der bearbeiteten Märkte. Gewinnversprechende Bedürfnisse werden bevorzugt bearbeitet, während andere Bereiche, denen zwar ein hoher gesellschaftlicher Nutzen zukommt, die aber nur begrenzt Möglichkeiten zur Gewinnerzie-lung bringen, vielfach vernachlässigt werden. Nach Ansicht der Öffentlichkeit stehen Unternehmen dagegen in der Verantwortung, zumindest teilweise auf Gewinne zugunsten gesellschaftlicher Investitionen zu verzichten. Eine Ausnutzung der Marktstellung wird nicht toleriert, und in bezug auf das Verhalten gegenüber Mitarbeitern wird das Unternehmen eher als soziales System betrachtet. Die von der Öffentlichkeit wahrgenommene, gesellschaftliche Kontroll- und Kritikfunktion hat sich dabei zunehmend in Form von Anspruchsgruppen institutionalisiert. Hierbei handelt es sich um Interessengruppen, die aus gesellschaftlichen oder marktbezogenen Ansprüchen mehr oder weniger konkrete Erwartungen an die Unternehmung ableiten und entweder selbst oder durch Dritte auf die Unternehmensziele Einfluß nehmen ( 22). Zu den wichtigsten nicht marktbezogenen Anspruchsgruppen zählen u. a. Verbraucher- und Umweltorga-nisationen sowie die Medien. Im Sinne eines Public-Marketing sind zunächst die unterschiedlichen Anspruchsgruppen und deren Bedürfnisse zu identifizieren und damit die Voraussetzungen zu schaffen, eine Diskussion zwischen dem Unternehmen und der Öffentlichkeit in Gang zu setzen. Eine zentrale Rolle nehmen hierbei die Medien ein. Diese stellen nicht nur eine selbständige Anspruchsgruppe mit eigenen Zielsetzungen dar, sondern dienen darüber hinaus als Katalysator öffentlicher Anliegen und Träger der öffentlichen Meinung. Sie tragen dazu bei, dass Diskussionen politischer Fragestellungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zudem wird ihnen eine eigene Lösungskompetenz zugesprochen. Je früher Unternehmen gesellschaftliche Anliegen erkennen, desto größer sind die Möglichkeiten, auf deren Ausmaß und Entwicklung Einfluß zu nehmen. In frühen Phasen des Entwicklungsprozesses sind die Bedürfnisse und Wünsche der Anspruchsgruppen noch nicht als klare Forderungen formuliert und werden zunächst in einem relativ kleinen Personenkreis diskutiert. Erst im Zeitablauf verfestigen sich die Ansprüche und finden das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit. Der Handlungsspielraum von Unternehmen verringert sich während dieses Prozesses zunehmend. Zum einen läßt sich die Diskussion um so schwerer beeinflussen, je konkretere Formen sie annimmt und je mehr die Öffentlichkeit davon Kenntnis nimmt. Zum anderen wächst der Druck auf die Unternehmen, den gesellschaftlichen Forderungen zu entsprechen, womit sich gleichzeitig die zur Verfügung stehende Zeit zur Planung und Realisierung entsprechender Maßnahmen verkürzt. Eine intensive Kommunikation und Zusammenarbeit mit den relevanten Anspruchsgruppen eröffnet demgegenüber die Möglichkeit, gesellschaftliche Ansprüche möglichst frühzeitig zu erkennen und die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen. Ziel muß es sein, „freiwillig“ eigene Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Ansprüche zu entwickeln, bevor diese als konkrete Forderungen von einer breiten Öffentlichkeit artikuliert werden. Die Anpassungen des Unternehmensverhaltens können sich dabei in vielfältiger Weise ausdrücken. In der Produktpolitik beispielsweise können dies Maßnahmen der Produktinnovation und -Variation sein, die zu einer Verringerung des Ressourcenbedarfs führen. Gleichzeitig kann sich das Unternehmen verpflichten, die Emissionen bei der Produktion zu verringern und auf Materialien zu verzichten, von denen angenommen werden muß, dass sie gesundheitsschädigend sind. Selbstverständlich sind diese Leistungen entsprechend öffentlichkeitswirksam darzustellen. Das Unternehmen verdeutlicht durch seine Handlungen, dass es sich seiner Rolle und Verantwortung in der Gesellschaft bewußt ist und zeigt seine Bereitschaft, einen eigenen Beitrag zur Lösung gesellschaftspolitisch-ökologischer Probleme zu leisten. Die hierdurch erreichte Erhöhung der öffentlichen Akzeptanz stellt gleichermaßen einen Wettbewerbsvorteil dar, der im Idealfall auf alle Tätigkeitsbereiche des Unternehmens ausstrahlt.



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