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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Distributionspolitik, ökologieorientierte

Im Rahmen der verschiedenen Aufgabenbereiche des Marketing steuert die Distributionspolitik die Bewegung eines Gutes von seiner Entstehung bis zu seinem Gebrauch bzw. Verbrauch. Es gilt diejenigen Entscheidungsbereiche zu koordinieren, die mit der notwendigen Überbrückung von räumlichen und zeitlichen Aspekten zwischen ersten Anbietern und letzten Nachfragern eines Gutes bzw. - übergreifender formuliert - mit dessen Übertragung von einer Wirtschaftsstufe zur nächsten zusammenhängen. Distributionspolitik in diesem Sinne ist dabei zum einen stark mit herkömmlichen Sachgütern verbunden, da etwa die Distribution von Dienstleistungen (z. B. aufgrund deren Immaterialität und der Verknüpfung zwischen Erstellung der Dienstleistung und gleichzeitigem Absatz) andere Inhalte bzw. Schwerpunkte erforderlich machen. Zum anderen wird die Distribution traditionellerweise aus Sicht des Herstellers betrachtet, wobei jedoch natürlich auch die Handelsstufe zentrale eigene Entscheidungen zur Distribution ihrer Produkte hin zum Kunden zu treffen hat. Aufgeteilt in ihre hauptsächlichen Aufgabenbereiche, die sich aus den oben erwähnten Überbrückungsleistungen ergeben, und zunächst betrachtet aus einem solchen produkt- und herstellerorientierten Blickwinkel besteht die Distributionspolitik aus zwei maßgeblichen Komponenten: erstens aus der Entscheidung über die zu wählenden Absatzpartner bzw. Distributionsorgane und deren Bearbeitung (Absatzwegewahl) und zweitens aus der (Marketing-) Logistik (Steuerung der Leistungs- und Informationsströme). Unter ökologischen Gesichtspunkten betreffen Distributionsentscheidungen damit zwangsläufig eine Vielzahl relevanter Themenbereiche, von denen einführend etwa nur Transport und Logistik sowie damit zusammenhängende Fragen nach Verpackung bzw. Umverpackung der Waren etc. zu nennen sind. 1. Absatzwegewahl Als grundsätzliche Alternativen dieses strategischen Entscheidungsbereiches zeigen sich Direktabsatz (Geschlossener Markt) einerseits und Absatz über Handelsunternehmen (Marktkette) andererseits. Bei dem zuerst genannten, also dem Direktabsatz, geschieht der Leistungsaustausch unmittelbar zwischen dem Hersteller und dem Letztnachfrager, d. h. das Eigentum geht direkt vom Hersteller auf den Nachfrager über. Im Rahmen des Direktabsatzes können dabei zunächst eigene Verkaufsstellen bzw. -organe eingesetzt werden. Als konkrete Ausprägungen sind Fabrikverkauf (bzw. Verkauf ab Herstellung im weitesten Sinne, etwa auch „ab Hof“ bei landwirtschaftlichen Produkten), dezentrale Niederlassungen oder Filialen bzw. eigene angestellte Verkaufspersonen (wie etwa Reisende im Außendienst), aber auch das Versandprinzip („traditionell” über die Verwendung von Katalogen bzw. über neuere Medien wie das Internet) zu nennen. Daneben können auch unternehmensfremde Absatzmittler als selbständige Gewerbetreibende zum Einsatz kommen. Als wesentliche zeigen sich hier Handelsvertreter bzw. Agenturen (Verkauf erfolgt im fremden Namen und auf fremde Rechnung), Kommissionäre (Verkauf erfolgt in eigenem Namen und auf fremde Rechnung) oder Makler (bringen die beiden Abschlußinteressenten zusammen, haben keine Abschlußvollmacht). Im Gegensatz zu diesen Absatzmittlern, die am Prinzip des geschlossenen Marktes (Direktabsatz) nichts verändern, erwerben Händler das Eigentum an den gehandelten Produkten und verkaufen diese aus diesem Eigentum heraus weiter. Sie begründen dadurch die Marktform der Marktkette. Mit dem hierfür konstitutiven zweifachen Eigentumsübergang sind neben erhöhten Risiken (z. B. Verlustrisiko) und betriebswirtschaftlichen Konsequenzen auch rechtliche Belange verbunden, wie etwa die Preisautonomie des Händlers, die aus dem - mit wenigen Ausnahmen, etwa in der Druck-und Verlagsbranche - allgemein geltenden Verbot der Preisbindung der zweiten Hand resultiert. Neben der zentralen Entscheidung für oder gegen Direktabsatz bzw. für eine Mischform aus beiden grundsätzlichen Alternativen ist dann die Struktur innerhalb der gewählten Marktform festzulegen (also etwa Bestimmung der konkreten Ausprägungen des Direktabsatzes bzw. eine entsprechende Selektion der Handelspartner auf der Groß- und/oder Einzelhandelsstufe). In diesem Zusammenhang ist - speziell beim Absatz über Handelsunternehmen - das ökologische Verhalten der Handelspartner bzw. deren ökologische Reputation beim Letztnachfrager zu berücksichtigen. Bei strenger ökologieorientierter Ausrichtung eines Herstellers sind im Sinne einer entsprechenden qualitativen Selektion Handelsunternehmen mit eigenverantwortlichem ökologischen Verhalten besonders zu berücksichtigen. Dies gilt also für solche Handelspartner, die im Rahmen ihrer Aktionsparameter Wert auf ökologische Belange legen. Als Beispiele lassen sich Händler mit besonderen Recycling- und Redistributionssystemen oder mit sorgsamem Ressourcenumgang bei Eigenmarken - dort etwa im Rahmen der Verpackungsgestaltung - nennen. Generell kommt dem Handel bei der Verbreitung einer ökologieorientierten Werteausrichtung eine entscheidende gatekeeper-Funktion zu. Mit seiner in vielen Branchen - gerade auch im Bereich ökologiesensitiver Produkte, wie etwa Lebensmittel, Bekleidung etc. starken Machtposition und dem damit verbundenen Leistungsvorbehalt entscheidet der Handel in erheblichem Maße über die Verbreitung und Akzeptanz ökologisch ausgerichteter Produkte und Ideen. Im Sinne einer Informations- und Wertesteuerung beeinflussen Handelsunternehmen dabei sowohl die ihnen nachgelagerten Nachfrager hinsichtlich deren ökologieorientierter Präferenzen (ecology-pushStrategie) als auch die vorgelagerten Hersteller in Bezug auf ökologische Anforderungen bei Produkten und Herstellungsprozessen (ecology-pull-Strategie). Die entsprechenden Bemühungen von Herstellern - etwa im Rahmen ihrer Kommunikations - und Produktpolitik - zur Beeinflussung der Letztnachfrager zum verstärkten Kauf ökologisch positionierter Produkte einerseits sowie Wünsche der Letztnachfrager nach solchen Produkten stehen somit häufig unter dem Entscheidungsvorbehalt des Handels als ökologischem gate-keeper. Dabei kommt den marktstarken großen Handelsunternehmen eine eben aus dieser ihrer Machtposition entstehende besondere Verantwortung zu. Aus dieser Situation heraus haben auch Handelsunternehmen strategische Entscheidungen im Sinne der hier betrachteten Absatzwegewahl zu treffen, sofern - etwa aus Sicht eines Binnen-Großhändlers oder eines Import-Export-Händlers - weitere Absatzstufen oder auch -mittler in der Gesamtdistributionskette auftreten, deren Einbeziehung oder Ausschaltung im Ermessensspielraum des Handels liegt. Daneben kommt dem Handel aber eine besondere Verantwortung für eine ökologieorientierte Distribution im Bereich der Logistik zu, auf die nun im folgenden eingegangen werden soll. 2. Logistik Unter (Marketing-)Logistik im Rahmen der Distributionspolitik wird zusammenfassend die Steuerung des Warenflusses sowie dessen monetären Gegenstromes (Leistungsströme) sowie des Informationsflusses und damit - neben der obigen eher strategisch ausgerichteten Komponente - ein eher operativer Bestandteil verstanden. Unter ökologieorientierten Gesichtspunkten nehmen der Warenfluß und die damit verbundenen Aufgaben eine herausragende Stellung ein. Von der Richtung her ist dabei zwischen dem Weg beispielsweise der Ware von Herstellung und Handel zum Konsumenten einerseits und dem Rückweg etwa von Verpackungen, Altwaren etc. andererseits (Redistribution) zu unterscheiden. Dieser logistischen Komponente der Distributionspolitik kommt unter ökologischen Gesichtspunkten eine mehrfache Bedeutung zu: für den ökologiebewußten Konsumenten wird im Rahmen der logistischen Prozesse die ökologische Orientierung eines Unternehmens „greifbar“. Der Konsument kann eine propagierte umweltbewußte Grundeinstellung eines Herstellers nun konkret auf den Prüfstand stellen und also beispielsweise die Verpackung eines Produktes oder auch die ihm hierfür angebotenen Möglichkeiten zur Rückgabe bzw. -Entsorgung - auch des nicht mehr zu gebrauchenden Produktes selbstbeurteilen. Damit werden ökologieorientierte Verantwortung und entsprechend ausgerichtetes Handeln von Unternehmen, die im Rahmen von aus Kundensicht intern ablaufenden und nicht beurteilbaren Prozessen - wie Beschaffung, Produktion letztendlich Vertrauensgüter darstellen, zu nachvollziehbaren Erfahrungsgütern. Gleichzeitig bieten gerade auch logistische Aufgaben die Möglichkeit, Vorteile für den Konsumenten zu generieren und damit auch Wettbewerbsvorsprünge zu erringen. So entsprechen etwa Abhol- oder Sammelsysteme für Verpackungen oder nicht mehr nutzbare Produkte nicht nur den Wünschen von ohnehin ökologiebewußten Konsumenten. Vielmehr kommen sie auch anderen, weniger umweltbewußten Nachfragern entgegen, indem sie diesen eine Servicekomponente und die Lösung entsprechender Probleme aus dem Bereich Entsorgung etc. bieten. Sie bilden somit gleichzeitig unabhängig von diesen unterschiedlichen Motiven einen Beitrag zu Okologisierung der Gesamtdistributionskette. Insbesondere Redistributionssysteme als geschlossene Kreisläufe und mit ihrer Verzahnung der absatzgerichteten Distribution und ihres gegenläufigen Stromes bieten wesentliche Ansatzpunkte zur ökologischen, aber auch ökonomischen Optimierung des Gesamtsystems. Eine nachvollziehbar hohe Hebelwirkung auf die Erreichung ökologieorientierter Zielsetzungen wird dabei über den physischen Transport der Güter erreicht. Neben Verbesserungen innerhalb vorhandener Transportsysteme, wie etwa der Erneuerung der LKW-Flotte, und den Versuchen einer ökologisch ausgerichteten Substitution der einzelnen Verkehrsträger („Schiene statt Straße“) stehen Maßnahmen zur Veränderung der Transportlogistik als solcher. Zur Verkehrsvermeidung sind beispielsweise Möglichkeiten einer verstärkten Dezentralisierung von Produktion oder Lagerhaltung und damit eine Bevorzugung konsumnaher räumlicher Strukturen zu nutzen. Hierzu gehören auch die Versuche einer stärkeren Einbeziehung regionaler Produkte in das Sortiment von Handelsunternehmen, wie es aus verschiedenen Gründen (Stichwort: Tiertransporte) etwa gerade auch im Bereich von tierischen Lebensmitteln angeraten ist. Eine wesentliche Rolle spielen Ansätze zur Verkehrsbündelung, die auf eine effizientere Auslastung der vorhandenen Transportkapazitäten, insbesondere auch im Straßenverkehr, abzielen. Als konkrete Maßnahme wäre beispielsweise die Bündelung der Auftragsmengen des Handels bei seinen Herstellern und eine entsprechende Zusammenfassung zu größeren Transporteinheiten zu nennen. Weiterführend kann dies auch mit Einheiten unterschiedlicher Hersteller geschehen. Sortiments- bzw. herstellerübergreifende Optimierung von Transportmengen, Transportkapazitäten (Cross Docking) und von Lieferzeiten sind auch wesentliche Inhalte des Efficient Replenishment (Supply Chain Management), das als Teil des ECRKonzeptes (Efficient Consumer Response) gegenwärtig eine wesentliche Grundlage der Beziehungen zwischen Herstellern und Handel darstellt. Es geht dabei um die gegenseitige Verbesserung der einzelnen Aktivitäten der Hersteller und der Handelsstufe in der Gesamtdistributionskette im Sinne eines kooperativen Miteinanders. Damit sind - wenngleich sicherlich in erster Linie durch traditionelle ökonomische Zielsetzungen getrieben - gerade auch im Bereich der Transportoptimierung zukünftig grundlegende Verbesserungen zu erwarten. Verstärkend wirken hierbei dezentrale Verteilungslager, von denen aus - nach der dort eingehenden Lieferung der einzelnen Hersteller - entsprechend übergreifend zusammengestellte Einheiten zu den einzelnen Outlets des jeweiligen Handelsunternehmen transportiert werden. Bezogen auf diese wird somit der ursprünglich herstellerspezifische Zulieferverkehr reduziert. Im Zusammenhang mit diesen Bemühungen stehen auch Versuche zur Reduzierung von Verpackung bzw. Umverpackung: notwendige Primärverpackungen sollten möglichst ohne weitere Umverpackung bzw. nur mit minimaler zusätzlicher Transportverpackung versandund im späteren Outlet bereits regal- oder displayfähig sein. Durch modulare und aufeinander abgestimmte Gestaltung der (Transport-)Verpackungen sind die oben bereits erhobenen Forderungen nach übergreifenden Transporteinheiten weiter zu unterstützen, damit wiederum aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten gleichermaßen sinnvoll - möglichst wenig „Luft“ transportiert wird. Strategische wie auch operative Aufgaben stellen somit das Grundgerüst einer ökologieorientierten Distributionspolitik dar, der in der Außenwirkung eines Unternehmens und bezogen auf reale Möglichkeiten zur Ressourcenschonung erhebliche Hebelwirkung zukommt. Weiterführende Literatur: Jakszentis, C./ Kohl, M.: Kundenbindung durch Redistribution, in: Lebensmittelzeit, Nr. 8, o. O. o. J.; Mattmüller, R.: Ziele und Zukunft des Handels. Einflüsse von Efficient Consumer Response auf die Verpackung, in: Stabernack, W. (Hrsg.): Verpackung. Medium im Trend der Wünsche, München 1998; Mattmüller, R./ Trautmann, M.: Zur Okologisierung des Handels-Marketing. Der Handel zwischen Ökovision und Ökorealität, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchswirtschaft, Nr. 2/1992, o. O. 1992; Steger, U./ Jakszentis, C.: Umwelt und Logistik, in: Lexikon der Logistik, München 1999.



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