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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Europäischer Binnenmarkt

Einheitlicher Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaften Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) definierte den Europäischen Binnenmarkt als einen «Raum ohne Binnengrenzen», in dem die vier sogenannten Grundfreiheiten (freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr und freier Personenverkehr) gewährleistet sind. Bereits im EWG-Vertrag war die stufenweise Verschmelzung der Volkswirtschaften der Mitgliedsländer zu einem Gemeinsamen Markt vorgesehen. Der erste Schritt hierzu war die Vollendung der Zollunion zum 1. Juli 1968. Die EEA bestimmte, die noch bestehenden innergemeinschaftlichen nichttarifären Handelshemmnisse bis zum 1.Januar 1993 weitgehend zu beseitigen, so daß die Grenzkontrollen des Warenverkehrs an den Binnengrenzen entfallen konnten. In diesem Zusammenhang wurde auch der Dienstleistungs- und Kapitalverkehr liberalisiert. Ferner wurden für die Bereiche des öffentlichen Auftragswesens, der Anerkennung von berufsqualifizierenden Abschlüssen und des Niederlassungsrechtes gemeinsame Regelungen geschaffen. Grundlage der wirtschaftlichen Integration ist nicht mehr das Harmonisierungsprinzip, sondern die Mitgliedsländer erkennen gegenseitig ihre betreffenden nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften an. Die Umsetzung dieser Maßnahmen hatte erkennbare Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in den Mitgliedstaaten und zu einer erheblichen Belebung des innergemeinschaftlichen Handels sowie einer Zunahme der Direktinvestitionen in Europa geführt. zum 1.1.1993 verwirklichte Fortentwicklung der Zollunion (Integration) und wichtige Etappe auf dem Weg zur der-Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. . Der Binnenmarkt gewährleistet einen ungehinderten Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Die rechtlichen Grundlagen sind zwar bereits weitgehend im Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) enthalten, wurden jedoch erst durch das Weißbuch der EG-Kommission von 1985 konkretisiert und durch die Ratifizierung der - Einheitlichen Europäischen Akte in allen Mitgliedsstaaten 1987 festgeschrieben. Der am 1.1.1994 in Kraft getretene Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erweitert das Binnenmarktkonzept. a) Durch das Abschaffen von Grenzkontrollen wird die Segmentierung der Märkte aufgehoben. Neben der Einsparung von Transportkosten sowie Kosten der Administration können einzelne Mitgliedsländer bestimmte nationale Regelungen (wie Importquoten aus Drittländern, Einwanderungsbestimmungen oder Verbrauchssteuersätze) nicht mehr kontrollieren. b) Unterschiedliche technische Vorschriften sowie andere staatliche Regulierungen (z.B. DIN-Normen, TÜV-Bestimmungen oder die Aufsichtssysteme im Transport-, Versicherungs- und Bankwesen) bilden häufig einen wirksamen Schutz vor ausländischer Konkurrenz. Da eine vollständige Harmonisierung der bestehenden Unterschiede zu zeitraubenden Verhandlungen führen würde, einigte man sich in vielen Bereichen auf eine Mindestharmonisierung, die z.B. allgemein anerkannte Sicherheits- bzw. Verbraucherschutzanforderungen oder umweltpolitische Zielsetzungen berücksichtigt. Außerhalb dieser Mindestanforderungen gilt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nationaler Normen und Regelungen (Ursprungslandprinzip). Damit unterliegen die Produzenten von Waren und Dienstleistungen jeweils nur den Vorschriften des Landes, in dem sie niedergelassen sind; sie dürfen jedoch (im Gegensatz zum Bestimmungslandprinzip) zu diesen Bedingungen in allen anderen Mitgliedsländern anbieten. c) Der Binnenmarkt baut die Abschottung im öffentlichen Beschaffungswesen ab. Es bevorzugt in allen Mitgliedsländern aus wirtschaftspolitischen Gründen die heimischen Anbieter und wird damit dem inner-gemeinschaftlichen Wettbewerb weitestgehend entzogen. Das Volumen der Käufe der öffentlichen Hand beträgt EU-weit etwa 16% des gesamten EU-Sozialproduktes mit Schwerpunkten in einigen für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Schlüsselbereichen wie Verkehr, Energie und Telekommunikation. d) Weitere Wettbewerbsverzerrungen stellen die unterschiedlichen Verbrauchsteuersätze und Subventionspraktiken dar. Die Mehrwertsteuersätze streuten in den EU-Mitgliedstaaten 1999 noch zwischen 15% und 25% (Normalsätze). Nach einem Vorschlag der Kommission soll im ersten Schritt eine Bandbreite von 15-20% erreicht und die in vielen Ländern geltenden Luxussteuern (25-38%) ebenso wie alle übrigen Verbrauchsteuern (mit Ausnahme vereinheitlichter Mineralöl-, Tabak- und Alkoholsteuern) abgeschafft werden. Auch Subventionen verzerren den Wettbewerb und sind deshalb grundsätzlich abzubauen oder einheitlich zu regeln. e) Die Mobilität von Arbeitskräften und Kapital ist durch die Niederlassungsfreiheit bzw. die Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen seit Anfang der 90er Jahre weitgehend verwirklicht, wird jedoch noch insbes. wegen der Unterschiede in der direkten Besteuerung von Einkommen und Unternehmen sowie in den wettbewerbsrechtlichen, sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen verzerrt. Viele dieser Fragen bleiben noch ungeklärt; es läuft jedoch auf den meisten Gebieten (wie auch bei den national divergierenden beruflichen Qualifikationsnachweisen) auf eine Mindestharmonisierung mit gegenseitiger Anerkennung hinaus. Mit der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes sind Erwartungen verbunden: Durch die Abschaffung der Grenzkontrollen sowie durch das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von technischen Normen und anderen staatlichen Regelungen verspricht man sich eine wohlfahrtsfördernde Konkurrenz zwischen den nationalen Regulierungssystemen, die zu einer Liberalisierung und Deregulierung der Güter- und Faktor-märkte führen soll. Der intensivierte Wettbewerb auf den Märkten zwingt zum Abbau von Monopolrenten und Ineffizienzen sowie zu einer vorteilhafteren internationalen Arbeitsteilung und zu einer beschleunigten Innovation- und Wachstumsdynamik. Die uneingeschränkte Mobilität der Produktionsfaktoren schafft die Voraussetzung für eine optimale Allokation der Ressourcen im gesamten EU-Raum. Infolge der zunehmenden Öffnung der Märkte können in den zuvor stark geschützten Bereichen steigende Skalenerträge erzielt werden. Die EG-Kommission schätzte 1988 die Vorteile des Binnenmarktes auf ca. 5% des Sozialproduktes der Gemeinschaft (CECCHINI-Bericht). Mit dem Binnenmarkt sind jedoch auch Probleme verknüpft: Führt der Abbau von Handelsschranken zu Verschiebungen der Güterpreisrelationen, so entsteht in vielen Regionen ein struktureller Anpassungsdruck. Insbes. Faktoranbieter, die in zuvor geschützten Bereichen tätig waren, müssen mit Einkommenseinbußen rechnen. Bei nur begrenzt flexiblen Löhnen und Lohnstrukturen kann der Strukturwandel mit zumindest vorübergehenden Beschäftigungseinbußen verbunden sein. Veränderte Faktorpreisrelationen führen bei ungehinderter Faktormobilität zu Standortverlagerungen von Produktionsstätten, wobei der Faktor Kapital erfahrungsgemäss mobiler ist als der Faktor Arbeit. Zahlreichen Gewinnern des Binnenmarktes steht also eine große Zahl von Verlierern (Regionen und Faktoranbieter) gegenüber. Daraus resultieren nationale Forderungen nach Finanztransfers. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung institutioneller Regelungen kann in Bereichen, in denen Externalitäten als Begründung für staatliche Eingriffe gelten (wie etwa bei umweltpolitischen Maßnahmen), zu einer Reduktion des Intemalisierungsgrades und damit zu Wohlfahrtseinbußen führen. Die durch den Binnenmarkt verbesserten Möglichkeiten, steigende Skalenerträge zu erzielen, fördern den Konzentrationsprozeß. Durch die Abschaffung der Grenzkontrollen können nationale Handelsbarrieren gegenüber Drittländern nicht aufrechterhalten werden, was zu einer Harmonisierung der Außenwirtschaftspolitiken der Mitgliedsländer zwingt. Dadurch entsteht für relativ liberale Länder wie Deutschland die Gefahr einer möglicherweise verstärkten Abschottung gegenüber den Drittländern, welche zu Retorsionsmaßnahmen bzw. zu verzögerten Fortschritten im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) und damit zu erheblichen Wohlfahrtseinbußen führen kann. Literatur: Wegner, M. (1991). Siebert, H. (1989)



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