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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Friedensabkommen

In der Schweiz haben die Tarifpartner vieler Wirtschaftszweige freiwillig auf den Streik als Instrument zur Regelung tarifpolitischer Auseinandersetzungen verzichtet. Statt dessen wird ein dreistufiges Verfahren zur Lösung von Konflikten angewendet. Dieses Konfliktlösungsmodell hat dazu geführt, dass in der Schweiz im internationalen Vergleich nur sehr wenige Arbeitstage durch Streiks verloren gehen. Die Löhne sind dennoch überdurchschnittlich hoch, die Arbeitslosigkeit niedrig.

In der Schweiz sind Arbeitskämpfe nahezu unbekannt. Mit durchschnittlich einem einzigen Streiktag je 1.000 Beschäftigten im Jahr stand die Schweiz im Zeitraum 1970 bis 1995 international mit Abstand am besten da. Zwischen 1984 und 1989 lag die Zahl bei Null, 1990 waren es zwei durch Arbeitskämpfe verlorene Arbeitstage. Einer der wichtigsten Gründe für diese geringe Streikhäufigkeit ist, dass die schweizerischen Tarifvertragsparteien in zahlreichen Tarifverträgen so genannte Friedensabkommen verankert haben. Darin verpflichten sie sich, Konflikte über Löhne und Arbeitsbedingungen in einem mehrstufigen Verfahren ohne Streik und Aussperrung zu lösen.

Nach einer Reihe harter Arbeitskämpfe haben sich die Sozialpartner in der Eidgenossenschaft im Jahre 1937 zunächst im Bereich des Maschinenbaus entschlossen, ihre Auseinandersetzungen in Zukunft allein am Verhandlungstisch zu führen und notfalls ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Sie schlossen ein Friedensabkommen, das bis heute einmalig geblieben ist. Sie verpflichteten sich darin, sich bei Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten nach Treu und Glauben gegenseitig zu informieren, offen zu diskutieren, nach den Bestimmungen der Vereinbarung zu erledigen und für die ganze Dauer dieser Auseinandersetzung unbedingt den Arbeitsfrieden zu wahren. Formell gilt das Friedensabkommen nur für Unternehmen und Beschäftigte, die in Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften organisiert sind, wird aber auch von anderen respektiert. Das Abkommen wurde im Laufe der Jahre mehrmals erneuert und modifiziert. Die heute geltende Übereinkunft beruht vor allem auf drei Eckpunkten:

  • Regelung von Meinungsverschiedenheiten nach Treu und Glauben. Das bedeutet, dass sich beide Tarifparteien verpflichten, bei ihren Forderungen jeweils auch in die Lage des anderen zu berücksichtigen. Voraussetzungen dafür sind der Wille zur Sozialpartnerschaft, eine ständige Gesprächsbereitschaft und die Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit.
  • Absolute Friedenspflicht. Streik, Aussperrung und andere Kampfmaßnahmen sind nicht nur dann unzulässig, wenn es um die im Tarifvertrag geregelten Sachverhalte geht. Auch andere strittige Fragen müssen von den Tarifpartnern ohne Einsatz der üblichen Druckmittel gelöst werden.
  • Wenn es bei den Verhandlungen zu keiner Einigung kommt, greift ein dreistufiges Verfahren der Konfliktlösung.

Bei der Aushandlung von Lohnerhöhungen und anderen Arbeitsbedingungen muss nach dem folgenden Schema verfahren werden: Zunächst finden die Verhandlungen im Betrieb zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung statt. Ist eine innerbetriebliche Einigung nicht möglich, wird eine Vermittlung mit Hilfe der Tarifverbände - also zuständige Gewerkschaft und Arbeitgeberverband - angestrebt. Ist auch auf Verbandsebene eine Einigung nicht möglich, wird der Streitfall an eine paritätisch besetzte Schiedsstelle weitergegeben. Sie setzt sich aus je einem Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie einem gemeinsam bestimmten neutralen Vorsitzenden zusammen. Die Entscheidungen dieses Schiedsgerichts sind verbindlich.

In der Schweiz werden die oberen Instanzen der Konfliktlösung nur verhältnismäßig selten eingeschaltet. Trotz des fast völligen Verzichts auf den Einsatz der Streikwaffe bei Tarifkonflikten erzielen die Arbeitnehmer in der Schweiz im internationalen Vergleich Spitzeneinkommen. Auch hinsichtlich der registrierten Arbeitslosigkeit steht die Schweiz besser da, als viele andere hochentwickelte westliche Industrieländer.



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