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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Tarifvertrag

Die vertragliche Vereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband einer bestimmten Branche oder zwischen der Gewerkschaft und einem einzelnen Unternehmen nennt man Tarifvertrag. Darin werden Löhne, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsfristen und Überstunden geregelt. Der Vertrag bindet nur die Unternehmen, die einem Arbeitgeberverband angehören, gilt aber für alle Arbeitnehmer dieser Betriebe, auch wenn sie nicht Mitglieder einer Gewerkschaft sind.

Die Höhe von Löhnen und Gehältern sowie andere wichtige Arbeitsbedingungen wie Urlaub, Zahl der Wochenstunden oder Arbeitspausen werden für die große Mehrheit der Arbeitnehmer von den Gewerkschaften ausgehandelt und sind im jeweils geltenden Tarifvertrag festgelegt. Grundsätzlich kann allerdings jeder Beschäftigte mit seinem Arbeitgeber über die Höhe des Lohnes, die Arbeitszeit, Ersatz von Fahrtkosten und andere Bedingungen verhandeln. Knappe Fachkräfte können dabei oft erhebliche Lohnzuschläge herausholen. Allerdings dürfen die Abmachungen nicht gegen geltende Gesetze oder Tarifverträge verstoßen. Das bedeutet in der Praxis: Bessere Bedingungen können jederzeit ausgehandelt werden, aber nach unten sind enge Grenzen gesetzt.

Die Tarifvertragsparteien handeln die Arbeitsbedingungen in eigener Verantwortung aus. Das geschieht vor allem bei den meist jährlichen Lohnverhandlungen. Wenn die für die jeweilige Branche zuständige Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband sich geeinigt haben, gilt der Tarifvertrag nicht nur für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer sondern für alle Beschäftigten in diesem Wirtschaftszweig, deren Arbeitgeber im zuständigen Verband organisiert sind. Während der vereinbarten Laufzeit des Tarifvertrages gilt für Arbeitgeber und Gewerkschaft die Friedens- und die Einwirkungspflicht.

Anders bei Unternehmen, die nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind. Weigern sich diese, die ausgehandelten Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erfüllen und bestehen beispielsweise auf längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne, wird es schwierig. Das kann allerdings in Einzelfällen auch durch Öffnungsklauseln im Tarifvertrag mit der Gewerkschaft vereinbart werden, um die Existenz eines Unternehmens in einer besonders komplizierten wirtschaftlichen Situation zu sichern. Allerdings ist der Widerstand der Gewerkschaften gegen derartige Klauseln im Tarifvertrag sehr groß.

Wenn eine nennenswerte Zahl von Unternehmen dem Arbeitgeberverband nicht beitritt oder austritt, um sich der Bindung durch Tarifverträge zu entziehen und dadurch die Gefahr einer unlauteren Konkurrenz oder der Ausbeutung bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern entsteht, hat der Bundesarbeitsminister auf Grund des Tarifvertragsgesetzes die Möglichkeit, einzugreifen. Nach Anhörung der Betroffenen kann er auf Antrag einer Tarifvertragspartei den Vertrag in dieser Branche für allgemeinverbindlich erklären. Diese Entscheidung ist dann unanfechtbar.

Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften schließen einen schriftlichen Tarifvertrag, um die Rechte und Pflichten der Vertragspartner zu regeln. Hinzu kommen rechtliche Vereinbarungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen (beispielsweise die Höhe von Lohn und Gehalt oder sonstige Arbeitsbedingungen). Außerdem enthalten Tarifverträge betriebsverfassungsrechtliche Regelungen. Tarifverträge sind auf der rechtlichen Grundlage der Tarifautonomie, die es den Tarifpartnern ermöglicht Verträge über Arbeitsbedingungen ohne staatliche Mitsprache auszuhandeln, abzuschließen und auch zu beenden. Rechtliche Grundlage ist das Tarifvertragsgesetz (TVG). schriftlicher Vertrag zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden einerseits und einer oder mehreren Gewerkschaften andererseits zur Regelung der Lohntarife und sonstigen Arbeitsbedingungen. Rechtsquelle ist das Tarifvertragsgesetz (TVG) in der Fassung vom 25.8.1969. Der überwiegende Teil der Arbeitsverhältnisse wird in der BRD mittelbar oder unmittelbar von Tarifverträgen gestaltet. Der Tarifvertrag ist ein privatrechtlicher Normen-vertrag, der i.d.R. für eine bestimmte Zeitdauer abgeschlossen wird. Er gliedert sich in einen schuldrechtlichen und in einen normativen Teil. Der schuldrechtliche Teil enthält Regelungen über Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien, z.B. im Zusammenhang mit dem Abschluß, der Durchführung und Beendigung des Tarifvertrages. Im normativen Teil werden die Arbeitsbedingungen (Lohn, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsverfahren usw.) durch verbindliche Rechtsnormen geregelt (Ordnungsfunktion des Tarifvertrages). Diese tarifvertraglichen Normen wirken nach dem TVG nur auf Arbeitsverhältnisse ein, bei denen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer einem der tarifbeteiligten Verbände angehören (Tarifgebundenheit, § 3 TVG). Ungünstigere Vereinbarungen im Arbeitsvertrag der einzelnen tarifgebundenen Arbeitnehmer werden mit Inkrafttreten des Tarifvertrages unwirksam, an ihre Stelle treten die Tarifbestimmungen (Schutzfunktion des Tarifvertrages: die Tariflöhne sind Mindestlöhne). Im Sonderfall der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages gelten die Tarifnormen für die Nichtorganisierten im Geltungsbereich des Vertrages ebenso unmittelbar und zwingend wie für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist ein staatlicher Hoheitsakt, der vom Bundesarbeitsminister oder einem Landesarbeitsminister unter bestimmten Voraussetzungen (§ 5 TVG) auf Antrag einer Tarifvertragspartei erlassen wird. Der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrages begründet zudem für die Laufzeit des Vertrages die Friedenspflicht beider Tarifparteien. Sie verbietet den Parteien den Einsatz von Mitteln des Arbeitskampfes (Streik, Aussperrung), um eine Änderung oder Aufhebung des Tarifvertrages zu erreichen (Friedensfunktion des Tarifvertrages). Tritt auf der Arbeitgeberseite ein Verband oder ein einzelner Arbeitgeber als Vertragspartei auf, so handelt es sich im ersten Falle um einen Verbandstarifvertrag, im zweiten Falle um einen Firmen-, Werksoder Unternehmenstarifvertrag. Ein firmenbezogener Verbandstarifvertrag liegt vor, wenn die beteiligten Verbände einen Tarifvertrag abschließen, dessen Geltungsbereich sich auf ein Unternehmen beschränkt. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen (z.B. Urlaubsregelungen, Arbeitszeit, Lohngruppeneinteilung) werden zumeist in langfristigen Mantel- oder Rahmentarifverträgen festgelegt. Lohntarifverträge mit kürzerer Laufzeit bestimmen die Höhe der einzelnen Lohnsätze. Sonderprobleme, wie der Schutz der Arbeitsplätze bei Rationalisierungsmaßnahmen, stufenweise Arbeitszeitverkürzungen, Vermögensbildung der Arbeitnehmer, werden oft in eigenen Tarifverträgen geregelt. Die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung des Tarifvertrages liegt in seinem Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens und zur Sicherstellung eines gerechten Anteils der Arbeitnehmer am Sozialprodukt. Literatur: Dütz, W. (1990). Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (1989)



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