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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Systemtheorie

(systemtheoretischer Ansatz): Die Entwicklungslinien der systemtheoretischen Ansätze in der Managementlehre reichen ei­nerseits in die Soziologie und soziologische Or­ganisationstheorie mit den Arbeiten von Talcolt Parsons zurück; andererseits haben sie ihre Wurzeln in der Biologie, der Kybernetik und der Informationstheorie - zu erwähnen sind hier insbesondere die Arbeiten des österreichi­schen Biologen Ludwig von Bertalanffy, der eine Allgemeine Systemtheorie entwickelte. Besondere Beachtung fand einerseits die Idee des kybernetischen Regelkreises und seine An­wendung für die Unternehmenssteuerung und -kontrolle. Das zentrale, daraus abgeleitete Ma­nagementproblem ist die Erhaltung und Stabili­sierung eines Systemgleichgewichts. Der Kon­trolle als Quelle der bestandskritischen Rück­koppelung fällt dabei unter den Management­funktionen eine Schlüsselrolle zu. Mit dem systemtheoretischen Ansatz gelang es erstmals, die Außenbezüge der Unternehmung systematisch zu erfassen und zum Gegenstand der Theorienbildung zu machen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist eine komplexe und veränderliche Umwelt, in der zu handeln ohne ei­ne signifikante (Komplexitäts-) Reduktionslei­stung nicht möglich ist. Systeme werden als Handlungseinheiten begriffen, die die Probleme einer komplexen und veränderlichen Umwelt in einem kollektiven arbeitsteiligen Leistungspro­zess bewältigen, wenn sie ihren Erhalt gewährlei­sten wollen. Systeme, die die Umwelt unbeant­wortet lassen, also kein Komplexitätsgefälle zwi­schen System und Umwelt aufbauen und erhal­ten, können nicht bestehen. Dies bedeutet, dass Systeme fortwährend vom Zerfall bedroht sind, Entropie. Die Komplexität der Umwelt beantworten, heißt zunächst einmal, dass Systeme in sich Strukturen schaffen müssen, die eine Bewältigung der Um­weltbezüge ermöglichen. Eine komplexe Umwelt erfordert eine entsprechend komplexe Binnen­struktur, um die vielfältigen Umweltbezüge erfas­sen und aufarbeiten zu können (law of requisite variety). Das bekannteste Muster der Verarbeitung kom­plexer Umwelten ist die Herausbildung von Sub­systemen, die eine Spezialisierung auf bestimm­te Systemfunktionen ermöglichen, z.B. stabilisie- rende Subsysteme, innovierende Subsysteme, außenbezogene Subsysteme, integrierende Subsysteme. System bzw. Umweltbezug heißt aber auch, dass Veränderungen in der Umwelt immer wieder neue Probleme für das System stellen und damit in aller Regel eine Veränderung des Systems nach sich ziehen. Die Bestandser­haltung stellt sich daher als permanentes Pro­blem, sie wird durch die einmal gefundene Selek­tionsleistung nicht definitiv gelöst. In der Theorie offener Systeme wird das System nicht nur als Anpasser konzeptualisiert, sondern man geht vielmehr davon aus, dass das System/-Umweltverhältnis interaktionaler Natur ist, d.h. ei­ne Unternehmung (= System) steht unter star­kem Umwelteinfluss, hat aber auch selbst die Möglichkeit, gestaltend auf die Umwelt einzuwir­ken. Systeme besitzen eine begrenzte Autono­mie, in deren Rahmen sie regelmäßig zwischen verschiedenen Handlungsalternativen wählen können. Für die Managementlehre ist die Systemtheorie von nachhaltigem Einfluss gewesen. Viele The­men und Probleme, die von der Systemtheorie formuliert wurden, sind heute zum Standard ge­worden. Wiederum ist es die Organisationstheo­rie gewesen, die als erste die Impulse aus der Systemtheorie in Konzepte umgesetzt hat. Her­ausragende Anwendungen sind die Studien zum Einfluss der Umwelt auf die Organisation und zur Interaktion von Organisation und Umwelt. Zwei Strömungen haben dabei eine besondere Auf­merksamkeit gefunden: · Das Ressourcen-Abhängigkeits-Theorem: Es verdichtet den weitläufigen Systemumweltbezug auf ein zentrales Problem, nämlich die Abhängigkeit von externen Ressourcen. Das Unterneh­men benötigt zur Leistungserstellung Ressour­cen verschiedener Art, über die es in der Regel nicht selbst, sondern externe Organisationen verfügen. Es steht damit zwangsläufig in zahlrei­chen engen Austauschbeziehungen zu anderen Organisationen (vertikaler Leistungsverbund). Der Grad, in dem dieser Leistungsaustausch zur Ressourcenabhängigkeit wird, hängt ab von dem Ausmass, in dem die Unternehmung Ressourcen benötigt, die eine andere Organisation besitzt, und inwieweit auch andere Organisationen der Unternehmensumwelt die benötigten Ressour­cen anbieten (oder Substitute verfügbar sind). Ressourcenabhängigkeit, die bei einem Vorhan­densein von Großabnehmern analog auch zur Outputseite hin entsteht, zieht eine Reihe von Unwägbarkeiten, also Ungewißheit nach sich, die die Effizienz des täglichen Leistungsvollzugs bedrohen und die Planung zukünftiger Aktivitäten behindern. Das Unternehmen muss daher — um seinen Bestand zu sichern — bestrebt sein, diese Unwägbarkeiten soweit als möglich beherrschbar zu machen. Neben internen Vorkehrungen (Ab­pufferung, Flexibilisierung usw.) kommt dazu primär der Aufbau kooperativer Beziehungen zu den vorgelagerten Systemen in Frage. Der Res­sourcen-Abhängigkeits-Ansatz zeigt eine ganze Skala solcher Kooperationsstrategien zur Steige­rung der Umweltkontrolle auf. Sie reichen von der              Kooptation über den Abschluss langfristiger Verträge bis hin zum — Joint-venture. · Der ökologische Ansatz: Eine andere neuere Strömung in der Managementlehre, die an The­men der Systemtheorie anschließt, ist der ökolo­gische oder evolutionstheoretische Ansatz. Die­ser insgesamt stark an der Biologie orientierte Ansatz interessiert sich primär für den evolutio­nären Ausleseprozess und versucht die Frage zu beantworten, weshalb bestimmte Systeme ihr Überleben sichern können, andere dagegen nicht. Die Idee ist, dass die Umwelt wie in der Na­tur aus der Vielfalt der Systeme diejenigen ausfil­tert, die sich an die speziellen externen Gege­benheiten nicht oder eben nicht hinreichend an­gepaßt haben. Unangepaßte Systeme werden ausgelesen, neue Systeme entstehen, der evolu­torische Prozess formt die Entwicklung und Zu­sammensetzung der Systempopulation nach sei­ner Dynamik. Vom Ergebnis her führt der evolutionstheoreti­sche Ansatz in ein Paradox — zumindest für die Managementlehre. Die Bedeutung der betriebli­chen Steuerungsleistung und antiziplerenden Sy­stemgestaltung tritt zurück zugunsten eines un­beherrschbaren Ausleseprozesses, der noch nicht einmal seine zukünftige Ausleselogik frei­gibt. In der Konsequenz treten auf einzelwirt­schaftlicher Ebene Glück und Zufall als zentrale Erklärungsfaktoren für den Erfolg in den Vorder­grund. Beim systemtheoretischen Ansatz orientiert sich das - Führungsverhalten am Zusammenspiel aller Komponenten des Führungsprozesses. Der Manager muss systemtheoretisch und praktisch denken können und logistische Prozesse analy­sieren und steuern. Der systemtheoretisch definierte Management­prozess hat vier thematische Schwerpunkte: (1) Selektion (2) Kontingenz bzw. Risikokompensation (3) Entwicklung (Suche nach neuen Grenzbe­stimmungen) (4) die Eigenkomplexität des Handlungssystems Unternehmung. Diese vier Themen sind nur auf dem Hintergrund der Basisrelation von System und Umwelt be­greiflich, die deshalb auch die Basisfigur eines systemtheoretisch geleiteten Konzepts des Managementprozesses ist. Systemtheorie
Die klassischen Managementfunktionen können im Sinne for­maler Aufgabenkategorien weiter Verwendung finden, jedoch mit geänderter Bedeutung und Ordnung. Der Zusammenhang der Management­funktionen und ihre Steuerungslogik werden im wesentlichen bestimmt durch den zuletzt ge­nannten vierten Gesichtspunkt, die Eigenkomple­xität des Handlungssystems Unternehmung. Der Managementprozess wird definiert durch die Abfolge der drei abstrakten Systemfunktionen Selektion, Kompensation und Entwicklung. Alle fünf Managementfunktionen tragen zu diesen ge­nerellen Funktionen bei, wenn auch mit unter­schiedlichem Gewicht. Die Planung hat ihren Schwerpunkt bei der Selektion, die Kontrolle in der Kompensation. Die Organisation ist ihrem Wesen nach eher ein Instrument der Selektion, trägt aber auch wesentlich zur Öffnung des Sy­stems bei. - Führung und - Personaleinsatz sind für alle Systemfunktionen gleichermaßen bedeutsam.



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