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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Zentralverwaltungswirtschaft

Planwirtschaft von Walter EUCKEN so bezeichneter Idealtyp eines Wirtschaftssystems, in dem die Allokationsentscheidungen von einer zentralen Instanz getroffen werden und von hierarchisch untergeordneten Einheiten aufgrund von direktiven Plananweisungen ausgeführt werden. Konstitutiv für dieses Wirtschaftssystem ist demnach der Koordinationsmechanismus der zentralen Planung. Da dieser grundsätzlich bei verschiedenen Eigentumsordnungen möglich ist, kann man die Zentralverwaltungswirtschaft nicht mit dem sozialistischen Wirtschaftssystem (Sozialismus) gleichsetzen. Die zentralgeplanten Wirtschaftssysteme der sozialistischen Länder sind jedoch die dem Idealtyp am nächsten kommenden historischen Beispiele. Die neoklassische Ökonomie (Vilfredo PARETO, Enrico BARONE) hat die theoretische Äquivalenz von Markt- und Plankoordination nachgewiesen. Das heißt jedoch nicht, dass sie die praktische Ausführbarkeit der Zentralplanung für möglich hielt. Es wäre absurd anzunehmen, ein zentraler Planer könne alle Einzelheiten kennen, die für die Festsetzung der Preise von Millionen von Gütern oder, was dasselbe ist, für die Festsetzung ihrer Mengen bekannt sein müssen. Deshalb spielten in der Praxis der Informationsaustausch und die Verhandlungen zwischen dem Zentralplaner und den Einheiten der untergeordneten Ebenen (Ministerien, Betriebe) eine wichtige Rolle, wobei der Zentralplaner nur beschränkt in der Lage war, die Korrektheit der ihm zugeleiteten Informationen zu kontrollieren. Die Leistung des Marktes, nämlich den Ausgleich von Angebot und Nachfrage, erreicht der Planer mit Hilfe von Materialbilanzen, in denen er Verfügbarkeit (Angebot) und Verwendung (Nachfrage) für jedes einzelne Gut gegenüberstellt. Durch Änderung der Angebotsbedingungen oder der Verwendungsbestimmungen werden die Bilanzen zum Ausgleich gebracht. Dieses Verfahren ist nichts anderes als eine iterative Form der Input-Output-Analyse und kann wie diese theoretisch zur Optimierung der Outputstruktur und der zwischenbetrieblichen Lieferungen führen. Wie die Input-Output-Analyse ist die Methode der Materialbilanzen eine Rechnung in Naturaleinheiten. Die optimale Lösung impliziert ein System von relativen Preisen, die über einen numeraire ausgedrückt werden können. Ein Problem der Zentralplanung besteht nun darin, dass sie nur verhältnismäßig wenige Güter (in der Sowjetunion waren es immerhin schon rd. 25 000) direkt in Materialbilanzen planen kann, den Rest aber in Aggregaten erfassen muß. Hierfür sind Preise erforderlich, die sie auf anderem Wege festsetzen muB. Es ist deutlich, dass im reinen Modell der Zentralverwaltungswirtschaft nur der Zentralplaner Unternehmer und Wirtschaftssubjekt (principal) ist. Alle übrigen Mitglieder des Systems haben keine Planungsautorität und sind agents. Hieraus ergeben sich zwei Probleme. Zum einen ist der Zentralplaner mit einem gewaltigen - principal-agent-Problem konfrontiert. Die Motivation und Kontrolle der untergeordneten Einheiten ist eine unlösbare Aufgabe, was zu hohen statischen Effizienzverlusten führen muß. Zum anderen obliegen dem Zentralplaner prinzipiell alle Wachstums- und Innovationsentscheidungen, womit er hoffnungslos überfordert ist. Daraus ergeben sich Defizite in der dynamischen Effizienz. Hieraus wird klar, warum eine Zentralverwaltungswirtschaft in der Ausnahmesituation einer Kriegswirtschaft mit Erfolg arbeiten kann, während sie in Friedenszeiten auf die Dauer in die - Stagnation führt. Es ist die Ansicht vertreten worden, dass die Situation der wirtschaftlichen Unterentwicklung und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer raschen Industrialisierung eine Analogie zur kriegswirtschaftlichen Situation darstellt. Demzufolge sei die Zentralverwaltungswirtschaft ein geeignetes System, um nachholende Industrialisierung mit maximalen Wachstumsraten zu erzielen. Diese Idee stützt sich auf den Erfolg der STALINschen Industrialisierungspolitik in der Sowjetunion von 1928-1960. Hiergegen sind sowohl theoretische als auch empirische Bedenken angeführt worden. Der Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaften hat die integrale Zentralplanung zu einem theoretischen und historischen Phänomen werden lassen. Literatur: Leipold, H. (1988). Wagener, H.-J. (1979)



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