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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Bürokratie

Der autokratisch-willkürlichen Herrschaft, die in Europa sowohl auf staatlicher als auch auf betrieblicher Seite bis in das vorige Jahrhundert üblich war, stellte Max Weber zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine neue Form der Herrschaft gegenüber: Seine Bürokratische Herrschaft ist eine satzungsmäßige Herrschaft, die Willkür verbietet und aufgrund von Gesetzen ausgeübt wird. Der Willkür, Korruption und Vetternwirtschaft setzt Weber eine Herrschaftsform mit klar abgegrenzten Pflichten und Zuständigkeiten, klarer Über- und Unterordnung der Bediensteten, strenger Festlegung von Dienstablaufund -verfahren sowie Aktenmäßigkeit der Vorgänge entgegen. Da Bürokratie auf Dauer angelegt ist, wird sie berechenbar. Was damals ideal erschien, wandelte sich durch Übertreibung der Grundsätze zu Undurchschaubarkeit und Schwerfälligkeit, wodurch Bürokratie heute als negativ empfunden wird. Trotzdem sind die wesentlichen Prinzipien auch heute und in modernsten Unternehmen vorhanden. hierarchisch gegliederte Organisation mit fester Kompetenzverteilung bezüglich i.d.R. kontinuierlich anfallender Aufgaben. Als Teilgebiet der - Neuen Politischen Ökonomie untersucht die ökonomische Theorie der Bürokratie Output- und Produktionsverhalten der staatlichen Bürokratie mit dem Ziel, Ansatzpunkte für die Steigerung der Effizienz in der staatlichen Leistungsbereitstellung zu gewinnen. Sie geht davon aus, dass Bürokratien bzw. deren Leiter als Durchführungsorgane (wirtschafts-)politischer Entscheidungen nicht per se Anreize haben, gesellschaftlich optimal zu handeln, sondern primär eigennutzorientiert sind, d.h. Rationalverhalten befolgen. Bürokratie Grundlegend in allen Modellen ist die Annahme, Chefbürokraten strebten danach, ihren Nutzen unter Beachtung der Umweltbedingungen zu maximieren. Dies bedeutet. dass in ihre Nutzenfunktion verschiedene instrumentelle Ziele als Argumente eingehen können, z.B. das von Regierung und Parlament zu gewährende Budget, das direkte Einkommen der Angehörigen der Bürokratie, indirekte Einkommenskomponenten in Form verschiedenster Vergünstigungen und Annehmlichkeiten, Macht, Prestige und Ansehen und das Ziel, ein abgesichertes, ruhiges Leben zu führen. Bei der Verfolgung dieser Ziele sind v.a. drei Nebenbedingungen zu beachten: die ökonomisch/finanzielle Nebenbedingung in Form der Budgetrestriktion, die politische Nebenbedingung des Vermeidens von Konflikten mit der Regierung und die Restriktion, Konflikte mit gut organisierten Interessengruppen zu vermeiden. a) Modell der Budgetmaximierung: In dem insbes. von William A. NISKANEN (1971) entwickelten Modell der Budgetmaximierung wird angenommen, Regierung und Parlament verhalten sich der Bürokratie gegenüber völlig passiv, beschränkten sich m.a.W. darauf, ihre Budget-Output-Funktion (B) zu spezifizieren. Die staatliche Bürokratie maximiere ihren Nutzen unter dieser (finanziellen) Restriktion dadurch, dass sie so viel an Leistung erbringt, bis das größtmögliche Gesamtbudget ausgeschöpft ist. Der Chefbürokrat ist diesem Modell nach ein reiner Budgetmaximierer. Der Grund liegt darin, dass es ihm nicht möglich ist, sich auch nur einen Teil des fiskalischen Residuums FR (Differenz zwischen den öffentlichen Mitteln zur Finanzierung einer staatlichen Leistung B und den Minimalkosten der Erstellung dieser Leistung K) anzueignen. Es ist aus taktische Gründen für ihn dann vorteilhaft, als - Optionsfixierer aufzutreten, d.h., Regierung und Parlament in Form von Alles-oder-nichts-Offerten alternative Outputmengen zu einem jeweils ganz bestimmten Gesamtbudget zu unterbreiten. Als Ergebnis wird der Output QN erstellt (ein Budget von BN in Anspruch genommen), bei dem die ganze der Allgemeinheit vorenthaltene Konsumentenrente (Fläche ABC) zur Finanzierung weiterer Einheiten aufgezehrt ist (ABC = CDE). Im Vergleich zur paretooptimalen Menge Q„ wird zuviel erstellt, d.h., es besteht Allokationsineffizienz. Die Leistungserstellung erfolgt indessen zu Minimalkosten, d.h., es besteht Produktionseffizienz. b) Modell der Optimierung von Budget und fiskalischem Residuum: Obiges Modell ist nicht plausibel, denn selbst bei passivem Geldgeber ist davon auszugehen, dass die Bürokratie hinsichtlich der möglichen Verwendung des fiskalischen Residuums bestimmte Präferenzen hat, wie dies für nicht staatliche Bürokratien von Jean-Luc MIGUE und Gerard BE-LANGER (1974) formuliert wurde. Diesem Aspekt kann in obiger Figur in allgemeiner Weise Rechnung getragen werden: Besitzt der Chefbürokrat eine Präferenz für Budget und fiskalisches Residuum, so kommt es beispielsweise zu der Kombination FRMB, QMB, wobei FRMB das Ausmass angibt, in dem über den Minimalkosten produziert wird. Dies kann aufgrund des Einsatzes zusätzlicher, in diesem Umfang nicht erforderlicher Inputfaktoren (Arbeit, Kapital oder beides), von Faktorüberzahlungen und/oder der Steigerung indirekter Einkommenskomponenten geschehen. Der Output (und das Budget) sind niedriger als im Modell der Budgetmaximierung. Neben Allokationsineffizienz besteht auch Produktionsineffizienz. Eine empirische Überprüfung der Hypothese der Allokationsineffizienz ist sehr schwierig und bislang nicht überzeugend vorgenommen worden. Für die Gültigkeit der Hypothese der Produktionsineffizienz liegt inzwischen empirische Evidenz vor (Thomas E. BORCHERDING, Werner W. POMMEREHNE und Friedrich SCHNEIDER (1982); Peter M. JACKSON (1982)). Die Ausweitung der Betrachtung geht in jüngerer Zeit dahin, auch der Politischen Nebenbedingung Rechnung zu tragen: Es ist nämlich anzunehmen, dass Regierung und Parlament danach streben werden, der Bürokratie einen Teil des fiskalischen Residuums abzugewinnen, m.a.W., die Leistungserstellung der Bürokratie auf ihre Produktions- und Allokationseffizienz zu überprüfen. Ferner unterliegt die Regierung selbst Einschränkungen wie z.B. in Form der Wiederwahlrestriktion, so dass sie insbes. auf Wahlen hin bemüht sein wird, den Forderungen der Bürokratie entgegenzutreten. Ein wieder anderer Ansatz geht davon aus, Regierung und Bürokratie stellten eine Koalition dar, mit der Folge, dass es auch auf Wahlen hin zu einem gesellschaftlich gesehen zu hohen öffentlichen Budget kommen kann. Die Nebenbedingung der Konfliktminimierung gegenüber gut organisierten Interessengruppen ist bislang (noch) nicht modellmäßig berücksichtigt. Die aus den bisherigen Modellen deduzierten Hypothesen und deren empirische Testung weisen auf eine Reihe von Ansatzpunkten sowohl für die Entwicklung gesellschaftlich zielkonformer Anreize in den staatlichen Bürokratien als auch zu deren besseren Kontrolle hin (Wettbewerb zwischen Bürokratien, Wettbewerb mit privaten Anbietern, Verschärfung der Budgetrestriktion, Kontrolle durch direkte Einflußnahme der Wähler, Verwendung »bürokratiearmer« wirtschaftspolitischer Instrumente). Literatur: Borcherding, T.E. u.a. (1982). Jackson, P.M. (1982). Migue, J.-L., Belanger, G. (1974). Niskanen, W.A. (1971)



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