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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Marketing im West-Ost-Handel

Die mit den Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen einhergehende wirtschaftliche Öffnung Osteuropas hat seit Ende 1989 viele Unternehmen dazu veranlaßt, sich verstärkt im Ost-Handel zu engagieren. Vor diesem Hintergrund steht insbesondere das Internationale Marketing vor der Bewährungsprobe, Konzepte für die wirtschaftlichen Aktivitäten in einem Wirtschaftsraum bereitzustellen, der bisher in der Forschung nur bedingt berücksichtigt worden ist. An den Anfang sollte dabei im Rahmen eines entscheidungsorientierten Ansatzes eine sorgfältige Analyse der Besonderheiten sowie möglicher Chancen und Risiken gestellt werden, die im folgenden in zusammengefaßter Form dargestellt werden. Vor dem Hintergrund der besonderen Ausgestaltung der politisch-rechtlichen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. der chronische Devisenmangel und z. T. noch dominierende planwirtschaftliche Strukturen, werden westliche Unternehmen bei ihrer Zielplanung berücksichtigen müssen, dass Erfolge nur bei vergleichsweise langfristig angelegten Aktivitäten realisiert werden können. Dabei ist es jedoch gleichzeitig notwendig, sich kurzfristig ein Standbein in den sich öffnenden Märkten im ehemaligen Ostblock zu sichern, um nicht den Anschluß an die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern zu verlieren. Da Direktinvestitionen, wie z. B. die Gründung von Tochtergesellschaften sowie Fusionen und Akquisitionen, aufgrund rechtlicher Bestimmungen früher häufig ausgeschlossen waren, standen westlichen Unternehmen neben Lizensierungen und der als schwierig einzustufenden Gründung von Vertriebsniederlassungen primär zwei Optionen für die Form ihres Osteuropa-Engagements zur Verfügung. Zum ersten stellten Kompensationsgeschäfte im Rahmen von Exportstrategien eine speziell von östlicher Seite bevorzugte Möglichkeit dar, die Devisenproblematik bei Direktexporten zu umgehen. Hierbei beinhalteten jedoch hohe Kompensationsquoten, die bis zu 200 % des Exportwarenwertes betragen haben, der Mangel an international wettbewerbsfähigen Produkten östlicher Betriebe, die notwendige Einschaltung von Barterspezialisten sowie die häufig zeitraubende Prozedur der Geschäftsabwicklung nicht zu unterschätzende Risiken. Eine Alternative zu Kompensationsgeschäften bietet heute vor allem die in allen reformorientierten Ländern Osteuropas geförderte Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, deren unbestrittene Vorteile speziell in der Nähe zum Markt, der Möglichkeit der Partizipation an Marktkenntnissen des Partnerunternehmens sowie dem niedrigen Lohnniveau in Ländern des Ostblocks liegen. Jedoch ist auch hier eine Reihe von Risiken zu beachten, die einer genauen Prüfung unterzogen werden sollten. Zu nennen sind u. a. ein möglicher Zielkonflikt zwischen westlichem und östlichem Partner, der sich an dem Problem des Transfers westlicher Unternehmenskulturen oder der Frage nach dem relevanten Markt - die von östlicher Seite bevorzugte Berücksichtigung westlicher Märkte zur Erwirtschaftung von Devisen oder die häufig von westlicher Seite gewünschte Penetration östlicher Märkte - äußern kann. Ferner sind die Unkenntnis östlicher Strukturen, lange Anlaufzeiten, eine nicht selten hohe und langfristige Kapitalbindung, die z. T. immer noch unklare Rechtslage sowie Abhängigkeit von der politischen Entwicklung weitere Faktoren, die vor einer Entscheidung länderund partnerspezifisch analysiert werden müssen. Mangelhafte und sich nicht selten widersprechende Informationsgrundlagen machen es hierbei notwendig, sich vor Ort direkt über die Gegebenheiten zu orientieren. Es gibt viele Besonderheiten und mögliche Maßnahmen im Bereich der Ausgestaltung des Marketing-Mix. Das spezifische Nachfrageverhalten sowie die besonderen technischen Rahmenbedingungen werden eine länderspezifisch ausgerichtete Produktpolitik unabdingbar machen. Für den Bereich der Kommunikationspolitik ist festzuhalten, dass die bisher herausragende Bedeutung von Messen und Ausstellungen in der Zukunft durch Instrumente abgelöst werden muß, die den Kontakt mit einem größeren Kreis von möglichen Abnehmern sicherstellen. Die vergleichsweise schwierigsten Probleme westlicher Unternehmen sind jedoch nicht bei der Planung, sondern insbesondere bei der Implementierung ihrer Strategien und Maßnahmen sowie deren Koordination und Kontrolle zu erwarten. Neben der Einführung effektiver Kommunikationstechnologien ist insbesondere bei Gemeinschaftsunternehmen das System der Kontrolle durch externe Planvorgaben durch bisher im Osten nur wenig bekannte interne Kosten- und Qualitätskontrollen zu ersetzen. Der Mangel an qualifizierten Führungs- und Arbeitskräften wird die notwendige Umstellung von plan- auf marktwirtschaftliche Mikrostrukturen zusätzlich erschweren, und die Veränderung bestehender Anreiz-Beitrags-Systeme wird erhebliche Anforderungen an das Konfliktmanagement stellen.



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