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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Räumlich relevanter Markt

In der Gesundheitswirtschaft: Der Begriff des räumlich relevanten Marktes spielt im Kartellrecht eine wichtige Rolle. In den bisherigen Kartellfällen auf dem Krankenhausmarkt ist der räumlich relevante Markt einer der Hauptstreitpunkte zwischen Bundeskartellamt und den betroffenen Krankenhausunternehmen. Diese Auseinandersetzung ist noch nicht abgeschlossen. Nachfolgend wird daher der Stand der Diskussion dargestellt. Allgemein definiert das Bundeskartellamt den relevanten Markt im Hinblick auf die Prüfung von Krankenhausfusionen nach dem Bedarfsmarktkonzept so: Ob der Zusammenschluss zu einer Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen wird, muss in jedem Einzelfall anhand einer Prognoseentscheidung geprüft werden. Hierzu ist zunächst notwendig, den betroffenen Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht abzugrenzen. Die Marktabgrenzung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung nach dem sogenannten Bedarfsmarktkonzept. Dahinter steht die Frage, ob aus Sicht der Nachfrager eine Ausweich- oder Austauschmöglichkeit besteht. Nachfrager sind grundsätzlich die Patienten, weil sie die konkrete Dienstleistung nachfragen und über die Wahl des Krankenhauses frei entscheiden können. Der Arzt berät seine Patienten zwar, kann sie aber nicht gegen ihren Willen in ein Krankenhaus einweisen. Die Krankenkassen schließlich fragen die Leistung selbst nicht nach, sondern bezahlen sie lediglich im Rahmen eines Sachleistungsprinzips. Ausgehend von diesem ‚Bedarfsmarktkonzept‘ ist das Bundeskartellamt der Auffassung, dass sog. ‚Akut-Krankenhäuser‘ einen sachlich einheitlichen Markt darstellen. Dieser Markt umfasst nicht die ambulante praxisärztliche Behandlung, Rehabilitationseinrichtungen sowie Alten- und Pflegeeinrichtungen oder reine Privatkliniken. Derzeitige Ansätze zur integrierten Versorgung sind noch nicht so ausgeprägt, als dass sie die Marktverhältnisse entscheidend prägten. Auf der anderen Seite ist der Markt für Akut-Krankenhäuser aus Sicht des Bundeskartellamts nicht weiter in Teilmärkte für Fachkliniken, nach verschiedenen Versorgungsrichtungen oder nach Fachabteilungen aufzugliedern. Dies gilt insbesondere deswegen, weil Fachkliniken im Nachfragewettbewerb mit Allgemeinkrankenhäusern stehen. Es besteht auch eine gewisse Angebotsumstellungsflexibilität, so dass die Bildung von sachlich gesonderten Teilmärkten aus Sicht des Bundeskartellamts nicht gerechtfertigt ist. Bei der räumlichen Marktabgrenzung gilt das gleiche wie für die sachliche Marktabgrenzung: Der jeweilige räumliche Markt ist nach dem Bedarfsmarktkonzept aus der Sicht der Nachfrager zu ermitteln. Es wird dabei das tatsächliche Verhalten der Nachfrager zugrunde gelegt, so dass sich jede pauschalierte Betrachtungsweise verbietet. Es wird zunächst die Angebotsseite betrachtet und ermittelt, wie groß das Einzugsgebiet der Krankenhäuser ist. Dann muss im Wege einer Nachfragebetrachtung in jedem Einzelfall das tatsächliche Nachfrageverhalten der Patienten festgestellt werden.1 Im ersten vom Bundeskartellamt entschiedenen Krankenhausfall (Übernahme der Kliniken des Landkreises Rhön-Grabfeld durch die Rhön-Klinikum AG) definierte das Amt den räumlich relevanten Markt wie folgt: Das Zusammenschlussvorhaben betrifft den Markt für Krankenhausdienstleistungen. In diesen Markt sind die ambulanten praxisärztlichen Behandlungen, Rehabilitationseinrichtungen sowie reine Privatkliniken nicht einzubeziehen. Eine weitere sachliche Untergliederung dieses Marktes in sachlich relevante Teilmärkte, insbesondere im Hinblick auf Fach- und Allgemeinkrankenhäuser, Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen oder eine Abgrenzung auf einzelne medizinische Fachabteilungen oder gar nach Fallgruppen (DRG) ist nicht sachgerecht.2 Zusätzlich definiert das Bundeskartellamt den räumlich relevanten Markt nach dem so genannten Bedarfsmarktkonzept, also durch Ermittlung des relevanten räumlichen Gebietes, „in dem der Wettbewerb im betroffenen sachlichen Markt im Hinblick auf den zu beurteilenden Zusammenschluss stattfindet“3. Im Beschluss heißt es dazu unter anderem: Die Beschlussabteilung hat in den um Bad Neustadt/Saale und Meiningen liegenden Postleitzahlbereichen 36, 97, 98, 96, sowie den westlichen Postleitzahlgebieten des Postleitzahlbereichs 99 insgesamt 131 Kliniken befragt. Hiervon wurden 34 Kliniken nicht weiter berücksichtigt, weil es sich im wesentlichen um Reha-Einrichtungen handelte bzw. um Krankenhäuser, die ihre Tätigkeit eingestellt haben. Im Ergebnis wurden somit 97 Akutkrankenhäuser danach befragt, wie viele ihrer Patienten aus welchen (fünfstelligen) Postleitzahlbereichen dieses Gebietes stammen. Das Gesamtgebiet umfasst in etwa ein Rechteck um Bad Neustadt/Saale mit einer Straßenentfernung zu den Eckpunkten von ca. 100 km bis 120 km.4 Der Zusammenschluss von Krankenhäusern unterliegt nach der Auffassung des Bundeskartellamtes dem Kartellrecht, weil durch solche Zusammenschlüsse neben dem Wettbewerb der Krankenhausträger um den Erwerb zusätzlicher Krankenhäuser in erster Linie der Wettbewerb der Krankenhäuser um die Patienten betroffen ist, der zivilrechtlich ausgestaltet ist und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat im Rahmen des von der Rhön-Klinikum AG angestrengten Prozesses um die Untersagung der Übernahme der beiden Kreiskliniken den sachlich und räumlich relevanten Markt allerdings anders abgrenzen wollen. Hierzu hat das Gericht in seinem Beschluss ausgeführt: I. Der sachlich relevante Markt für akutstationäre Krankenhausdienstleistungen ist nach Auffassung des Senates danach zu unterteilen, aus welcher medizinischen Fachrichtung Krankenhausdienstleistungen nachgefragt werden. Demzufolge sind im Hinblick auf die von den Kreiskrankenhäusern Bad Neustadt/Saale und Mellrichstadt vorgehaltenen Fachrichtungen in sachlicher Hinsicht insgesamt vier Märkte von der Fusion betroffen. Hierbei handelt es sich um den Markt für akutstationäre Krankenhausdienstleistungen aus dem Bereich – der Grundversorgung, der gemäß Art. 4 Abs. 4 BayKRG die Fachrichtungen Chirurgie und Innere Medizin umfasst, – der Urologie – der Gynäkologie – der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Ausgehend von diesen sachlichen Märkten bedarf es für die räumliche Marktabgrenzung und Marktanteilsberechnung weiterer Ermittlungen. Für den jeweiligen Markt sind auf der Grundlage aktueller Fallzahlen aus dem Jahr 2004 die Patientenströme – so wie in der Untersagungsverfügung im einzelnen dargestellt – zu ermitteln und daraufhin zu überprüfen, aus welchem räumlichen Gebiet die behandelten Patienten stammen. II. Bei den Ermittlungen ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. Die Krankenhausplanung im Freistaat Bayern geht von vier Versorgungsstufen für Allgemeinkrankenhäuser aus (Art. 4 Abs. 2 BayKRG). Die Zielobjekte des Fusionsvorhabens gehören der I. (KKH Mellrichstadt) und der II. Versorgungsstufe (KKH Bad Neustadt/Saale) an. Sie stehen mit Allgemeinkrankenhäusern höherer Versorgungsstufen und Fachkliniken daher nur in Wettbewerb, wenn und soweit sie Krankenhausdienstleistungen aus der jeweiligen Fachrichtung in wettbewerblich relevantem Umfang erbringen, die im Hinblick auf das medizinisch-technische Leistungsvermögen (Versorgungstiefe) in der Regel von Allgemeinkrankenhäusern der I. und II. Versorgungsstufe erbracht werden. Diese Kliniken sind also danach zu befragen, ob und in welchem Umfang sie Krankenhausdienstleistungen aus der jeweiligen Fachrichtung (Grundversorgung – Chirurgie und Innere Medizin -, Urologie, Gynäkologie, HNO) erbringen, die nach der Versorgungstiefe (d. h. Art und Umfang der Behandlung) üblicherweise der Versorgungsstufe I. und II. zuzurechnen sind. Falls den Krankenhausträgern anhand des auswertbaren Datenmaterials eine Aufschlüsselung nach Versorgungsstufen nicht möglich sein sollte, ist von ihnen eine Schätzung des Anteils (Versorgungsstufe I. und II.) zu erbitten. 2. Soweit das Bundeskartellamt Bedenken dahingehend geäußert hat, dass die Abgrenzung der einzelnen Fachrichtungen fließend und in Einzelfällen eine eindeutige Zuordnung einer Krankenhausbehandlung in die eine oder andere Fachrichtung nicht möglich sei und daher von den Krankenhausträgern zum Teil unterschiedlich gehandhabt werde, handelt es sich hierbei um Ungenauigkeiten in Randbereichen, die für eine kartellrechtliche Beurteilung unbeachtlich und daher hinzunehmen sind. Einer inhaltlichen Konkretisierung der vom Gesetzgeber im Krankenhausgesetz vorgegebenen Fachrichtungen bedarf es nicht, da jedenfalls im Kernbereich Übereinstimmung besteht, welche medizinische Krankenhausbehandlung welcher Fachrichtung zuzuordnen ist.5



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