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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Rechte und Pflichten des Betriebsrates und somit die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen. Am 28. Juli 2001 wurde das vorher drei Jahrzehnte geltende Gesetz reformiert. Seither stehen dem Betriebsrat neue Möglichkeiten bei der Beschäftigungssicherung und Qualifizierung von Arbeitnehmern offen. Auch die Bildung von Betriebsräten wurde erleichtert. Ziel der Gesetzesreform war es außerdem, die Betriebsratswahlen einfacher und unbürokratischer zu gestalten.

Der Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes erstreckt sich auf Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern. Konkret heißt das: Die Wahl der Betriebsräte kann in allen Betrieben der privaten Wirtschaft erfolgen, wenn sie ständig mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen, von denen drei wählbar sein müssen.

Die Amtszeit des Betriebsrats beträgt vier Jahre. Die regelmäßigen Wahlen finden zwischen dem 1. März und dem 31. Mai statt. Aktives Wahlrecht besitzen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mindestens 18 Jahre alt sind, auch dann, wenn sie sich noch in der Berufsausbildung befinden. Das passive Wahlrecht ist an eine sechsmonatige Tätigkeit im Betrieb geknüpft. Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz können, auch sofern sie das aktive Wahlrecht besitzen, nicht gewählt werden. Leitende Angestellte sind weder wahlberechtigt noch wählbar. Für sie gibt es eine eigene Vertretung, den Sprecherausschuss. Die Wahl wird durch einen Wahlvorstand eingeleitet, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht. In Großbetrieben setzt er sich regelmäßig aus einer größeren ungeraden Zahl von Beschäftigten des Betriebes zusammen. Der Wahlvorstand wird spätestens zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats von diesem bestellt. Existiert noch kein Betriebsrat, wird der Wahlvorstand vom Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, vom Konzernbetriebsrat, bestellt. Der Wahlvorstand hat die Aufgabe, eine Wählerliste aufzustellen und bekannt zu geben. Außerdem muss er ein Wahlausschreiben mit den wichtigsten Daten der Wahl erlassen. Er wacht über die ordnungsgemäße Wahldurchführung, gibt das Ergebnis unverzüglich bekannt und lädt die Mitglieder des Betriebsrats zur konstituierenden Sitzung ein.

Die Betriebsratswahl erfolgt grundsätzlich nach dem Prinzip der Verhältniswahl. Hier besteht für die Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, sich zwischen mehreren Vorschlagslisten zu entscheiden. Auf diese Vorschlagslisten gelangen die Kandidatinnen und Kandidaten durch Wahlvorschläge der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Wahlvorschläge der Arbeitnehmer müssen von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten, mindestens aber von Dreien, unterzeichnet sein. In Betrieben mit in der Regel bis zu 20 Wahlberechtigten genügen die Unterschriften von zwei Wahlberechtigten. In jedem Fall reicht es, wenn 50 Wahlberechtigte durch ihre Unterschrift den Wahlvorschlag stützen. Die Wahl des Betriebsrats ist ein wesentliches Element der Betriebsverfassung. Deshalb hat der Gesetzgeber auch für einen umfassenden Schutz der Betriebsratswahl gesorgt. So wird die Behinderung oder unzulässige Beeinflussung der Wahl unter Strafe gestellt. Ein Verstoß gegen Wahlvorschriften kann zur Anfechtung der Wahl vor dem Arbeitsgericht führen. Wird die Wahl für ungültig erklärt, muss eine neue angesetzt werden. Sämtliche mit dem Wahlvorgang verbundenen Kosten trägt der Arbeitgeber. Ein vereinfachtes Wahlverfahren gilt für Kleinbetriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern.

Was ist anders durch die Reform?

1. Moderne und anpassungsfähige Betriebsratsstrukturen

Die Möglichkeiten der tarifvertraglichen Regelungen wurden nach § 3 BertrVG ausgeweitet. Danach können Vereinbarungen über flexible und praxisnahe Betriebsratsstrukturen getroffen werden, wie beispielsweise die Einrichtung von Sparten- und Filialbetriebsräten oder unternehmenseinheitlichen Betriebsräten. Einer tariflichen Lösung wird dabei der eindeutige Vorrang vor Betriebsvereinbarungen eingeräumt.Vereinbarungen der Betriebspartner lässt § 3 BetrVG nur zu, sofern keine tarifvertragliche Regelung gilt. Bei Spaltungen und Zusammenlegungen von Betrieben wird ein generelles Übergangsmandat für den Betrieb festgeschrieben. Der alte Betriebsrat bleibt grundsätzlich bis zur Wahl eines neuen Betriebsrates im Amt, längstens jedoch für 6 Monate. Das Übergangsmandat kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung um 6 Monate verlängert werden.

2. Bildung von Betriebsräten erleichtert

  • Das vereinfachte Wahlverfahren wird in kleineren Betrieben mit fünf bis 50 Wahlberechtigten, in denen noch kein Betriebsrat existiert, in zwei Stufen durchgeführt. In einer ersten Stufe werden der Wahlvorstand bestellt und die Wahlvorschläge gemacht. In einer zweiten Stufe - nach einer Woche - wird der Betriebsrat in geheimer und unmittelbarer Wahl in einer Wahlversammlung gewählt.
  • In Betrieben mit 51 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann das vereinfachte Wahlverfahren zwischen dem Wahlvorstand und dem Arbeitgeber vereinbart werden.
  • Die drei Beschäftigten, die die Betriebsratswahl initiieren, erhalten einen zeitlich befristeten Kündigungsschutz (§15 Abs. 3a Kündigungsschutzgesetz).
  • Aufgabe des Gruppenprinzips: In allen Betrieben wählen Arbeiter und Angestellte den Betriebsrat gemeinsam.
  • Falls kein Betriebsrat besteht, kann ein bestehender Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in einem Betrieb eines Unternehmens oder eines Konzerns den Wahlvorstand bestellen ("Mentorenprinzip").

3. Besondere Beschäftigungsformen

  • Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer erhalten ab einer Überlassungsdauer von mehr als 3 Monaten das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat des Entleiherbetriebes.
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über den Einsatz externer Arbeitskräfte im Betrieb (arbeitnehmerähnliche Personen, Fremdfirmenarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer) zu unterrichten. Dadurch kann der Betriebsrat die Beschäftigungssituation in seiner Gesamtheit erfassen.

4. Arbeitsmöglichkeiten des Betriebsrates und Schutz seiner Mitglieder

Die Zahl der Betriebsratsmitglieder erhöht sich beispielsweise

Künftig erfolgt die vollständige Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes von der Arbeit schon in Betrieben mit in der Regel 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - anstelle einer teilweisen Freistellung von der Arbeit unter entsprechender Entgeltfortzahlung. Die Zahl der von der Arbeit freigestellten Betriebsratsmitglieder erhöht sich beispielsweise

  • in einem Betrieb mit in der Regel 1.000 Arbeitnehmern von bisher 2 auf 3 Mitglieder und
  • in einem Betrieb mit in der Regel 5.000 Arbeitnehmern von bisher 6 auf 7 Mitglieder.
  • Ein Betriebsratsmitglied kann auch für einen Teil seiner Arbeitszeit freigestellt werden, da Freistellungen jetzt auch als Teilfreistellungen erfolgen können. Insbesondere teilzeitbeschäftigte Frauen, aber auch Fachkräfte, die nicht vollständig aus ihrem Berufsleben ausscheiden wollen, können sich so verstärkt in der Betriebsratsarbeit engagieren.
  • Moderne Informations- und Kommunikationstechnik wird ausdrücklich als erforderliches Arbeitsmittel der Betriebsräte genannt.
  • Damit der Betriebsrat betriebsinternes Wissen besser nutzen kann, hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen.

Nach einer Rahmenvereinbarung mit dem Arbeitgeber kann der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern bestimmte Aufgaben an Arbeitsgruppen delegieren. So wird die Stellung der einzelnen Arbeitnehmer in der Betriebsverfassung gestärkt und der Betriebsrat im Alltagsgeschäft entlastet.

5. Betriebsratsrechte insbesondere bei Beschäftigungssicherung und Qualifizierung

  • Der Betriebsrat erhält ein Mitbestimmungsrecht für betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen, wenn ein vom Arbeitgeber verursachter Qualifikationsverlust droht. So kann er frühzeitig und präventiv betriebliche Qualifizierung zugunsten der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchsetzen, um deren Beschäftigung zu sichern.
  • Der Betriebsrat erhält ein Initiativrecht zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung. Dies ist verbunden mit der Pflicht des Arbeitgebers, die Vorschläge des Betriebsrates umfassend mit diesem zu beraten.
  • Das Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen sowie das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsänderungen besteht nunmehr bereits in Unternehmen (bisher in Betrieben) mit in der Regel mehr als 20, wahlberechtigten Arbeitnehmern. In Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat bei Betriebsänderungen ohne vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber künftig eine Beraterin oder einen Berater hinzuziehen.

6. Einbindung der einzelnen Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung

Nicht nur die Aufgaben der Betriebsräte, sondern auch die Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die Betriebsratsarbeit haben sich verändert. Durch neue Produktionsformen haben sie mehr Verantwortung für das Arbeitsergebnis erhalten. Aus diesem Grund erhalten die Beschäftigten mehr Einflussmöglichkeiten, sich mit bestimmten Themen zu beschäftigen. Wenn dies von mindestens 5 Prozent der Arbeitnehmerschaft unterstützt wird, muss der Betriebsrat darüber beraten.

7. Betrieblicher Umweltschutz in die Betriebsverfassung integriert

  • Der Katalog der Aufgaben des Betriebsrates wird um den betrieblichen Umweltschutz erweitert. Diese Neuregelung beinhaltet erweiterte Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats.
  • Bei allen für den betrieblichen Umweltschutz relevanten Fragen und Besichtigungen ist der Betriebsrat vom Arbeitgeber hinzuzuziehen.
  • Freiwillige Betriebsvereinbarungen können auch ausdrücklich Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes zum Gegenstand haben.
  • Im Rahmen seiner Berichtspflichten wird der Arbeitgeber verpflichtet, die Beschäftigten in der Betriebsversammlung über Fragen des betrieblichen Umweltschutzes zu unterrichten.

8. Chancengleichheit von Frauen und Männern im Betrieb verbessert

  • Künftig muss das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem Anteil in der Belegschaft im Betriebsrat vertreten sein, sofern dieser aus drei oder mehr Mitgliedern besteht. Frauen werden dadurch in Zukunft stärker in Betriebsräten vertreten sein.
  • Der Betriebsrat hat das Recht, Frauenförderpläne vorzuschlagen und diese zum Gegenstand der Personalplanung zu machen, über die der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu beraten hat.
  • Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern, gehört zu den Aufgaben des Betriebsrats.

9. Jugend- und Auszubildendenvertretung gestärkt

  • Auch für die Jugend- und Auszubildendenvertretung gilt das vereinfachte Wahlverfahren.
  • Die Jugend- und Auszubildendenvertretungen werden vergrößert.
  • In Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern erhält die Jugend- und Auszubildendenvertretung das Recht, eigene Ausschüsse zu bilden.
  • Es kann eine Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung gebildet werden.
  • Die Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung beim Betriebsrat beantragt werden.

10. Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb

  • Auf Betriebs- und Abteilungsversammlungen sowie auf Betriebsräteversammlungen soll die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb bzw. Unternehmen thematisiert werden.
  • Der Betriebsrat sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretung erhalten das Recht, Maßnahmen zur Bekämpfung ausländerfeindlicher Tendenzen im Betrieb zu beantragen.
  • Der Betriebsrat erhält ein Zustimmungsverweigerungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen (z.B. Einstellungen und Versetzung) sowie das Recht, die Entfernung eines Arbeitnehmers bei rassistischer oder fremdenfeindlicher Betätigung im Betrieb zu verlangen.



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