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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Lohntheorie

beschäftigt sich mit der Erklärung der Lohnhöhe je Beschäftigten, der Lohnstruktur und des Lohnanteils am Volkseinkommen (Lohnquote). Eine genaue Abgrenzung zur Verteilungstheorie ist nicht möglich. In der Lohntheorie wird unterschieden zwischen Geld- und Reallöhnen, zwischen kurz- und langfristiger Lohnentwicklung, zwischen mikro- und makroökonomischen Aspekten des Lohnes. Ähnlich wie in anderen Bereichen der ökonomischen Theorie gibt es bis heute keine geschlossene, vollständige Lohntheorie, sondern verschiedene mehr oder weniger weit entwickelte Ansätze. Die ersten Lohntheorien entstanden im Zuge der beginnenden Industrialisierung der europäischen Volkswirtschaften, als ein immer größerer Teil der Bevölkerung Lohnarbeiter werden mußte. Alle im folgenden angesprochenen Lohntheorien beziehen sich damit grundsätzlich auf Lohnbildungs- und Lohnanpassungsprozesse auf Arbeitsmärkten sich entwickelnder oder bereits entwickelter kapitalistischer Industriestaaten. Die in der ersten Hälfte des 19. Jh. verbreiteten Lohntheorien lassen sich grob zweiteilen in Theorien, die das Hauptaugenmerk auf das Angebot an Arbeitskräften (Existenzminimumtheorie des Lohnes) richteten und Theorien, die in erster Linie die Nachfrage nach Arbeitskräften (Lohnfondstheorie) analysierten. Die Existenzminimumtheorie (Adam SMITH, David RICARDO) stellte insbes. die Frage nach dem langfristigen makroökonomischen Reallohnniveau einer Volkswirtschaft. Der Preis der Arbeitskraft hängt ab von dem Preis der Subsistenzmittel, die die Arbeitskraft benötigt, um sich und die Familie am Leben zu erhalten. Diese Theorie beruht auf Annahmen über das generative Verhalten der Bevölkerung, über die Beziehung zwischen den Löhnen und der Bevölkerungsentwicklung und über den Nahrungsmittelspielraum, die auch im 19. Jh. schon problematisch waren. Bei der Definition des Existenzminimums wurde schon früh erkannt, dass Gewohnheiten mitbestimmen, wie das notwendige Lebensmittelbündel aussieht. Nach der Lohnfondstheorie (John Stuart MILL) ist die Lohnhöhe zu einem Zeitpunkt bestimmt durch das für Lohnzahlungen zur Verfügung stehende Kapital (Lohnfonds) und die Zahl der Arbeitskräfte. Bevölkerungs- und Arbeiterzahl werden kurz- und mittelfristig als gegeben, also lohnunabhängig angesehen. Zu einer klaren Definition des Lohnfonds ist es aber nie gekommen. Da der gesamte Lohnfonds kurzfristig nicht erhöht werden kann, müssen Lohnerhöhungen einer Gruppe von Arbeitskräften zulasten der übrigen Arbeitskräfte gehen. Ebenso wie bei der Existenzminimumtheorie des Lohnes läßt sich das Lohnniveau durch Eingriffe in das freie Spiel der Marktkräfte nicht erhöhen, es sei denn mit Folgewirkungen wie Arbeitslosigkeit. Karl MARX verwarf das Bevölkerungsgesetz der Klassiker, das auf einem biologischen Vermehrungsdrang beruhte. Es sei vielmehr das kapitalistische Marktsystem, das durch die Akkumulation von Kapital periodisch technologische Arbeitslosigkeit und damit eine relative Überbevölkerung schaffte. Diese industrielle Reservearmee (offene und versteckte Arbeitslosigkeit) übt kurz- und langfristig einen Druck auf die Löhne aus, so dass diese sich nicht zu weit von dem sozialen Existenzminimum entfernen können. Die Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. entwickelte Grenzproduktivitätstheorie des Lohnes (John B. CLARK) ist insbes. für die Erklärung der mikroökonomischen Arbeitsnachfrage von Bedeutung. Diese Theorie schenkte lange Zeit dem Arbeitsangebot zuwenig Aufmerksamkeit. Weiterhin finden bei der Beschränkung dieser Theorie auf marktmäßige Einflüsse institutionelle Faktoren wie soziale - Macht und unterschiedliche Verhandlungspositionen zuwenig Bedeutung. Diese Beschränkung auf rein ökonomische Wirkungsfaktoren versuchen die in neuerer Zeit entstandenen kollektiven Verhandlungstheorien des Lohnes (collectivebargaining-Theorien, Gewerkschaften) zu überwinden. Ihre Vorläufer sind jene Lohntheorien, die bestimmte, aus besonderen Besitzverhältnissen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten entstandene Machtfaktoren als entscheidende Determinanten der Lohnhöhe betrachten (Karl MARX, Michael von TUGAN-BARANOWSKI, Jean S. de SISMONDI, Franz OPPENHEIMER, Hans PETER und Erich PREISER). Durch die Berücksichtigung der institutionellen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt versuchen sie, die Erwartungen und Handlungsweisen der Tarifpartner mit in den Katalog der Bestimmungsfaktoren des Lohnes einzubeziehen. Für die Analyse des Bargaining-Prozesses von besonderem Interesse ist zum einen die Bestimmung der Ausgangsforderung der Gewerkschaften und des Ausgangsangebots der Arbeitgeberverbände, zum anderen der eigentliche Verhandlungsprozess mit den möglichen Verhandlungsmethoden der Tarifparteien: Überzeugungs- und Überredungsversuche, Zugeständnisse, Drohung mit und Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen (Streik, Aussperrung). Die einzelnen Verhandlungstheorien unterscheiden sich durch verschiedene analytische Vorgehensweisen; Konzentration auf die Beschreibung von Verhandlungsstrategie und -taktik (Bernhard KÜLP), formale statische Theorien, die nur die Einigungslösung bzw. den Einigungsbereich angeben (Jan PEN, John R. HICKS), Anwendung des spieltheoretischen Instrumentariums (John F. NASH). Das Versagen der auf dem Grenzproduktivitätsprinzip aufbauenden Lohntheorie bei der Erklärung der ständig steigenden Geldlöhne nach Ende des 2. Weltkrieges ist Ursache einer Vielzahl von Einzelbeiträgen zur PHILLIPS-Kurve, die die Theorie des durchschnittlichen Geldlohnsatzes durch neue Ansätze bereichern. So sehen einzelne Autoren die Geldlohnänderung in (linearer und nichtlinearer) Abhängigkeit von der Arbeitslosenquote und deren Veränderung sowie von Preisänderungen (Alban W. PHILLIPS), vom gewerkschaftlichen                Organisationsgrad (Allan G. HINES), von der Laufzeit der Tarifverträge (Georg A. AKERLOF), von der Eigenart der Lohnrunden (Otto ECKSTEIN, Thomas A. WILSON), von der Wertproduktivität der Arbeit (Edwin KUH). Der PHILLIPS-Zusammenhang kann mikroökonomisch sowohl durch das Verhalten der Unternehmen als auch der Arbeitskräfte begründet werden. So berücksichtigt Edmund E. PHELPS die - Erwartungen des Unternehmers und Charles C. HOLT die Suchzeiten der Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt. In jüngster Zeit hat sich die Lohntheorie vor allem mit der Frage beschäftigt, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit es rational ist, den Lohn kurz- und mittelfristig vom Wertgrenzprodukt abzukoppeln und den Lohnsatz bei sich ändernden Marktkonstellationen relativ stabil zu lassen. Diese Frage wird von der Theorie impliziter Kontrakte, der Effizienzlohntheorie und von insider-outsider Modellen ganz unterschiedlich beantwortet. Die Theorie impliziter Verträge betont, dass Arbeitsverträge häufig aus zwei Teilvereinbarungen bestehen, der üblichen Vereinbarung über Entlohnung und Arbeitszeit und einer »Versicherungsvereinbarung«, die für einen gewissen Zeitraum eine Festlohngarantie enthält. Die Theorie basiert auf der Annahme, dass Unternehmer i.allg. weniger risikoscheu sind als Arbeitnehmer. Da Arbeitnehmer auf eine Festlohngarantie hohen Wert legen, werden Unternehmer, die diese in impliziten Kontrakten anbieten, Arbeitnehmer zu einem Durchschnittslohn beschäftigen können, der unter demjenigen liegt, der sich ergäbe, wenn die Löhne gewinnoptimal den jeweiligen Marktkonstellationen angepaßt würden. Die Arbeitnehmer zahlen in Form eines niedrigeren Durchschnittslohnes eine Versicherungsprämie für das Festlohnangebot. Literatur: Franz, W. (1996)



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