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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Privatisierung, formale

In der Gesundheitswirtschaft: Unter einer formalen Privatisierung wird im Allgemeinen die Umwandlung der Rechtsform eines in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Krankenhauses aus der Form eines Eigenbetriebes oder eines Regiebetriebes in eine privatrechtliche Gesellschaftsform – meist die der gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), selten auch die der Aktiengesellschaft (AG) verstanden. Dass eine formale Privatisierung auch lediglich die Vorstufe zur materiellen Privatisierung sein kann, zeigte die Fusion der Universitätskliniken Giessen und Marburg zum Universitätsklinikum Giessen und Marburg sowie die anschließende Umwandlung aus einer Anstalt des öffentlichen Rechts in eine GmbH. Kurz danach veräußerte das Land Hessen 95 Prozent der Anteile an der Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH an die Rhön-Klinikum AG und nahm damit eine materielle Privatisierung vor. Bekannte Beispiele für die Umwandlung in eine AG sind die Amper-Kliniken AG in Dachau sowie die Gesundheit Nordhessen Holding AG in Kassel, wobei die Amper-Kliniken AG mittlerweile durch die Veräußerung von 74,9 Prozent der Aktien an die Rhön-Klinikum AG ebenfalls materiell privatisiert wurde. Bei der formalen Privatisierung im Sinne der Rechtsformänderung bleibt der bisherige Krankenhausträger unverändert der Inhaber des Krankenhauses. Die Veränderung der Rechtsform kann allerdings erheblichen Einfluss auf die Rechtsposition der Mitarbeiter sowie die Befugnisse und Möglichkeiten der Einflussnahme der Wahlgremien des Trägers haben. Außerdem beinhaltet die private Rechtsform auch das Risiko der Insolvenz – ein Risiko, das bei öffentlichen Rechtsformen wie Eigen- oder Regiebetrieb nicht gegeben ist, da bei diesen eventuell entstehende Defizite aus dem Haushalt des öffentlichen Trägers abzudecken sind. Darüber hinaus wird allgemein davon ausgegangen, dass eine solche Rechtsformänderung dazu führt, dass die operative Leitung des Krankenhauses nach der Rechtsformänderung von politischen Beeinflussungen weitgehend frei gehalten werden kann. Der Träger muss sich dann formal auf die Berufung und Abberufung des bzw. der Geschäftsführer sowie die sonstigen gesetzlich oder in der Satzung der Gesellschaft festgelegten Befugnisse der Gesellschafterversammlung (GmbH bzw. gGmbH) bzw. Hauptversammlung (AG) und des Aufsichtsgremiums – normalerweise der Aufsichtsrat – beschränken. Außerdem gilt die Managementstruktur einer gGmbH, einer GmbH oder einer AG mit mindestens einem Geschäftsführer oder Vorstand an der Spitze mit Alleinvertretungsrecht nach außen als sinnvoll und entscheidungsfördernd. Darüber soll häufig auch der Einfluss von berufspolitisch motivierten Aspekten wie etwa im Modell der Dreierspitze (Ärztlicher Direktor, Pflegedienstleiter, Verwaltungsleiter) auf die Entscheidungen der Unternehmensleitung abgemildert werden. Weiterhin gilt in einer GmbH, gGmbH oder AG das Betriebsverfassungsgesetz und nicht das Personalvertretungsrecht. Die Umwandlung eines städtischen Eigenbetriebs in eine GmbH oder eine gGmbH stellt einen so genannten Betriebsübergang dar. Für einen solchen Betriebsübergang gibt es zum Schutz der Beschäftigten gesetzliche Mindestnormen, die erfüllt werden müssen (§ 613a BGB, EU-Richtlinie77/187/EWG v. 14.2.1977). Weitere, über diese Mindestnormen hinaus gehende Regelungen können in einem Personalüberleitungstarifvertrag vereinbart werden. Tab. 1: Krankenhäuser und aufgestellte Betten nach Trägerschaft und Rechtsform 2004 Quelle: Statistisches Bundesamt 2005 Art der Krankenhäuser Anzahl der Krankenhäuser Aufgestellte Betten insgesamt Krankenhäuser insgesamt 2.166 531.333 Nach Trägerschaft:     Öffentliche KH 780 280.717 Darunter: in privatrechtlicher Form 287 99.639 Darunter: in öffentl.-rechtl. Form 493 181.078 Rechtlich unselbstständig 371 120.220 Rechtlich selbstständig 122 60.858 Freigemeinnützige KH 831 189.334 Private KH 555 61.282 Erläuterung1 zu den Begriffen der Tabelle: Nach der Art des Trägers und der Rechtsform lassen sich die Krankenhäuser folgendermaßen differenzieren: • Öffentliche Krankenhäuser können in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form geführt werden. – Die in öffentlich-rechtlicher Form betriebenen Krankenhäuser sind entweder rechtlich selbstständig (z. B. Zweckverband, Anstalt, Stiftung) oder rechtlich unselbstständig (z. B. Regie- oder Eigenbetrieb). – In privatrechtlicher Form (z. B. als GmbH) betriebene Krankenhäuser befinden sich in öffentlicher Trägerschaft, wenn Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Bezirke, Kreise, Gemeinden) oder Zusammenschlüsse solcher Körperschaften (z. B. Arbeitsgemeinschaften oder Zweckverbände) oder Sozialversicherungsträger (z. B. Landesversicherungsanstalten oder Berufsgenossenschaften) unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 v. H. des Nennkapitals oder des Stimmrechts halten. • Freigemeinnützige Krankenhäuser werden von Trägern der kirchlichen und freien Wohlfahrtspflege, Kirchengemeinden, Stiftungen oder Vereinen unterhalten. • Private Krankenhäuser bedürfen als gewerbliche Unternehmen einer Konzession nach § 30 Gewerbeordnung.



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