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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Vermögenswirksame Leistungen

Die Bundesbürger haben kräftig daran gearbeitet, sowohl Geld- als auch Grundvermögen zu erwerben. Die bevorzugte Form der Geldanlage ist dabei nach wie vor das Kontensparen, also das klassische und offenbar unverwüstliche Sparbuch. Die vom Statistischen Bundesamt im Dezember 1993 durchgeführte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) kam zu dem Ergebnis, daß es in 90 von 100 Haushalten in den alten und in 87 von 100 Haushalten in den neuen Bundesländern sowie Ost-Berlin Sparbücher gab. Dem folgten in der Beliebtheitsskala die Lebensversicherungen (68 bzw. 65 vom Hundert) und schließlich die übrigen Formen wie Wertpapiere, Bauspar- und Grundvermögen.

Diese Formen der Vermögensbildung haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Bei der EVS 1993 wurde festgestellt, daß sie in der Beliebtheit und Verbreitung zwar hinter dem Kontensparen und den Lebensversicherungen rangierten, nicht aber wertmäßig. Es legen also weniger Haushalte Geld in Wertpapieren, Bausparguthaben, Häusern und Grundvermögen an, dafür aber höhere Summen. Insgesamt verfügte 1993 im Durchschnitt jeder private Haushalt in den alten Ländern über Geldvermögen in Höhe von 63.000 DM, in den neuen Ländern und Ost-Berlin von 22.800 DM. Bei jenen, die überhaupt über Haus- und Grundbesitz verfügen, kommt hier noch einmal ein erkleckliches Sümmchen hinzu (alte Länder: 46.900 DM/neue Länder: 21.100 DM).

Die Vermögensbildung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird in der Bundesrepublik seit langem gefördert. Am 1. Januar 1999 trat ein neues Vermögensbildungsgesetz in Kraft. Dem Vermögensbildungsgesetz liegen zwei Ideen zugrunde. Erstens: Vermögensbildung überhaupt zu fördern. Zweitens: eine ausgewogene Verteilung des Vermögens zu erreichen. Dies gilt insbesondere für das Produktivvermögen. Zu diesem Zweck gibt es eine staatliche Sparzulage und unter Umständen vermögenswirksame Leistungen vom Arbeitgeber. Allerdings werden nicht alle Formen der Vermögensbildung unterstützt. Die am wenigsten attraktiven, aber verbreitetsten Formen Kontensparen und Lebensversicherung sind nicht zulagefähig.

Die Idee, das Volk am Produktivvermögen zu beteiligen, ist nicht neu. Der französische Kaiser Napoleon III., begeistert für allerlei Fortschrittsideen und vom Saint-Simonismus, träumte von einer wirtschaftlichen und sozialen Umgestaltung dergestalt, daß einfachen Bürgern eine finanzielle Beteiligung an der Wirtschaft ermöglicht werden sollte. Zu diesem Zweck wurde 1852 eine Kreditbank des Volkes unter staatlicher Aufsicht gegründet, der Credit Mobilier. Der Credit Mobilier wurde ein fantastischer Erfolg, er fand regen Zuspruch bei den unteren und Mittelschichten und finanzierte etliche Großprojekte wie Eisenbahnen, Industrieanlagen, die Umgestaltung des Pariser Stadtzentrums und auch, last but not least, die Pariser Weltausstellung von 1855. Der französischen Hochfinanz war der Credit Mobilier allerdings ein Dorn im Auge. Vor allem der Mega-Bankier Rothschild bekämpfte die Bank des Volkes auf das heftigste und mit Erfolg. In den Jahren 1866/67 mußte der Credit Mobilier liquidiert werden.

Die damals ausprobierte Idee, weite Teile der Bevölkerung am Produktivvermögen zu beteiligen, war allerdings nicht liquidierbar. Heutzutage sind die entsprechenden Förderleistungen durch Staat und Arbeitgeber nicht nur allgemein anerkannt und beruhen sie nicht nur auf einem breiten Konsens, sie sind obendrein in entsprechenden Gesetzen festgeschrieben. Wie gesagt, gibt es eine staatliche Sparzulage und unter Umständen vermögenswirksame Leistungen (VL) vom Arbeitgeber. Die Sparzulage wird nur auf vermögenswirksame Leistungen gewährt. Entweder erhält der Arbeitnehmer ohnehin eine solche Leistung vom Arbeitgeber, weil es im Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung oder im Einzelarbeitsvertrag festgeschrieben ist. Oder er kann einen Teil seines Entgeltes durch den Arbeitgeber vermögenswirksam anlegen lassen. Begünstigt werden Geldanlagen in Beteiligungen (eben am Produktivvermögen) oder Bausparverträge.

Die Zeitschrift FINANZtest (Heft 8/2000 vom August 2000) schreibt zu den VL: »Die wohl gängigsten und beliebtesten Anlageformen ... sind Bausparverträge und die Anlage in Aktienfonds. Denn diese Sparformen werden vom Staat gefördert. Arbeitnehmer können sogar beide Sparformen ausnutzen und dann eine doppelte Förderung kassieren. Und wer neben den vermögenswirksamen Leistungen noch weiteres Geld auf einen Bausparvertrag einzahlt, kann sogar eine dritte staatliche Prämie kassieren.«

Allerdings gibt es Höchstgrenzen für die Förderung. Diese Grenzbeträge wurden im dem neuen Vermögensbildungsgesetz festgelegt.

Bisher konnten Beteiligungen und Bausparen gemeinsam bis 936 DM mit einer Sparzulage von 10 Prozent gefördert werden, also mit 94 DM. Dies gilt nunmehr allein für das Bausparen.

Beteiligungen am Produktivkapital (Aktien, Aktienfonds, Mitarbeiterbeteiligungen) werden seit dem 1.1.99 bis 800 DM extra gefördert. Arbeitnehmer in den alten Ländern erhalten hierauf eine Sparzulage von 20 Prozent, in den neuen Ländern sogar von 25 Prozent. Das heißt, das Maximum an zulagefähiger vermögenswirksamer Leistung steigt von 936 DM auf 1.736 DM, die Zulage insgesamt für Bausparen und Beteiligungen also von 94 DM auf 254 DM (alte Bundesländer) oder 294 DM (neue Bundesländer). 3. Für die staatliche Sparzulage gab und gibt es eine Einkommensgrenze. Per 1.1.99 wurde diese Einkommensgrenze angehoben. Sie liegt derzeit bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 35.000 DM für Alleinstehende (bisher: 27.000 DM) und von 70.000 DM für Verheiratete (bisher 54.000 DM). Auch Arbeitnehmer mit höheren Einkommen können nun also eine Sparzulage erhalten.

»Unter Berücksichtigung von steuerlichen Frei- und Pauschalbeträgen«, heißt es im oben angeführten Heft der Zeitschrift FINANZtest, »kann das Jahresbruttoeinkommen bei Alleinstehenden ohne Kind 40.996 Mark betragen. Ein Ehepaar mit zwei Kindern darf sogar bis zu 93.870 Mark als Bruttoeinkommen angeben, wenn nur einer der Partner berufstätig ist.«

Das heißt: Einerseits erhalten durch das neue Gesetz Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen zusätzliche Anreize für die Geldanlage in Bausparverträge und Kapitalbeteiligungen, andererseits werden jetzt auch höhere Einkommen begünstigt. Wie damit eine ausgeglichenere Verteilung von Vermögen erreicht wird, wird man sehen.

Wenn oben gesagt wurde, dem Gesetz liegen zwei Ideen zugrunde, so galt das aus Sicht derjenigen, die vermögenswirksame Leistungen und Sparzulagen in Anspruch nehmen oder nehmen möchten. Es gibt noch mindestens eine dritte Idee oder einen Hintergedanken: den Arbeitsfrieden. Gerade über die Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen kann man natürlich erreichen, daß sich ein Arbeiter oder ein Angestellter (oder eine Arbeiterin oder Angestellte) stärker für ihren Betrieb verantwortlich fühlt und entsprechend auch Mehrleistungen erbringt. Darüber hinaus ist ein am Betriebskapital beteiligter Mitarbeiter vielleicht auch eher zum Lohnverzicht bereit. Von den neuen und natürlich ebenso von den bereits bestehenden Regelungen profitieren also auch die Arbeitgeber.

Das geförderte Fondssparen ist offenbar äußerst attraktiv und lukrativ. FINANZtest schreibt: »Bei den förderungsberechtigten Arbeitnehmern hat sich das vermögenswirksame Sparen in Aktienfonds zu einem wahren Renner entwickelt. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Investment-Gesellschaften (BVI) in Frankfurt/Main verwalteten deutsche Fondsgesellschaften Ende März 2000 rund vier Millionen VL-Depots mit einem Volumen von etwa fünf Milliarden Euro. Damit hat sich die Zahl der VL-Aktienfondssparer innerhalb von zwei Jahren verdoppelt.« (Bundesverband Deutscher Investment-gesellschafien)



 
Weitere Begriffe : self-interest | Transactioncosts | eigene Risikomodelle, Surchargemodelle
 
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